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Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Fundamentalismus-Merkmale



Verschiedene Theologen haben sich in letzter Zeit mit der Erforschung fundamentalistischer Tendenzen in kirchlichen Gruppen befasst. Das Thema ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher theologischer Veröffentlichungen, die sich mit verschiedenen Aspekten und Formen religiösen und "katholischen" Fundamentalismus befassen. Vgl. dazu u.a. den jüngst erschienenen Artikel: Hans-Joachim Höhn, Ins Netz gegangen. Religiöser Fundamentalismus im Internet, StZ (7/2013) mit den dort angegebenen weiteren Literaturangaben.

Die Fundamentalismus-Kriterien variieren von Autor zu Autor, dennoch lassen sich einige bei allen Autoren zentrale Momente ausmachen: Fundamentalismus ist demnach als Phänomen der Moderne zu betrachten, er ist zu erkennen an weltanschaulichem Dualismus, Führerkult, Elitarismus, Diskurs- und Kritikunfähigkeit, Angst und Abgrenzung gegenüber der modernen pluralistischen Gesellschaft sowie an einem gewissen Gewaltpotenzial. 

Die Hauptkriterien, die von mehreren Autoren genannt werden und diejenigen die auf das Werk zutreffen, werden im Blog noch genauer behandelt. Hier werden sie komplett aufgeführt. Die folgenden Literaturangaben sind dabei auch als Leseempfehlungen zu verstehen:

Die hier als Quelle verwendete Literatur ist im Einzelnen:

- W. Beinert, „Katholischer“ Fundamentalismus. Häretische Gruppen in der Kirche?, Regensburg, 1991. 

"Fundamentalismus ist ein derzeit weltweit zu beobachtendes Phänomen. Er ist ein nicht ausschließlich, aber hauptsächlich religiöses Phänomen. Vor allem aber: Er ist ein den Frieden wie die Freiheit bedrohendes Phänomen. Der Grund ist darin zu suchen, dass er in allen seinen Formen prinzipiell einem ideologischen Absolutismus huldigt. Dieser gebiert aus sich mit innerer Konsequenz Intoleranz, Gewissensknebelung, Aggression in allen möglichen Formen. Das kann spektakuläre politische Folgen mit katastrophalen Dimensionen haben, das vermag aber auch wenig auffällige, jedoch nicht minder verhängnisvolle Auswirkungen auf den Lebensfrieden und das Lebensglück einzelner - manchmal vieler einzelner - zu zeitigen. Besonders gefährdet wie betroffen ist die junge Generation. Fundamentalismus ist also ein höchst gefährliches Phänomen."
Aus dem Vorwort.

Beinert nennt als Kriterien:

Feste Sätze,

Festungsdenken,

Kriegsmetaphorik,

Gewaltanwendung,

Verteufelung der anderen,

Fremde Meinungen sind unmoralisch,

Auserwählungsbewusstsein,

Gott Urheber des Werkes,

Die eigentliche Kirche,

Marsch durch die Institutionen,

Arkandisziplin,

Familiengefühl,

Führer kommt von Gott,

Die Sehnsucht nach Vater und Mutter,

Führergehorsam,

Hierarchiegehorsam,

Unfreiheit des Papstes,

Dualistischer Absolutismus (dualistisches Menschenbild),

Das Böse sind die anderen,

Seligkeit als ein Prinzip (Monismus),

Traditionalismus,

Tradition ist allein die Wahrheit,

Wahrheitsbesitz,

Diskursunfähigkeit,

Moralismus,

Gegen Ökumenismus-Toleranz-Religionsfreiheit-Menschenrechte,

Haltung zum Zweiten Vatikanischen Konzil,

Angst und Irrationalismus.

 

- J. Werbick, Offenbarungsanspruch und fundamentalistische Versuchung, Freiburg 1991. 


Werbick konzentriert sich insbesondere auf das Offenbarungsverständnis als Hauptmerkmal eines fundamentalistischen Weltbildes, aus dem er alle übrigen Merkmale ableitet:

"Alle wesentlichen Merkmale des christlichen (katholischen) Fundamentalismus lassen sich aus seinem Offenbarungsbegriff ableiten. Er kann die unmittelbare Zugänglichkeit der Wahrheit voraussetzen, weil der, der die dem Erkennen vorgegebenen Fakten schuf, den Menschen selbst auch den unmittelbaren Zugang zu ihnen erschloss. 'Unmittelbar' heißt hier: Die Erkennende begegnen - im Glauben - den mitgeteilten Fakten gleichsam direkt; sie sind nicht als 'Entschlüsselnde', als die aktiv sich den Weg zur Wahrheit Bahnenden, sondern einfach als Wahrnehmende und Hinnehmende gefordert. Die Fakten, um die es geht, werden ihnen gleichsam mit der Information durch den kompetenten Zeugen vor Augen gestellt; von ihm, der es wissen muss, werden sie darüber belehrt, was der Fall ist, worauf sie sich einzustellen haben, wenn sie nicht an den (Heils-)Realitäten vorbeileben, ihr Lebensziel verfehlen wollen (...) Die dogmata sind die 'veritates a caelo delapsae (DS 3422); sie sind unmittelbar göttliche Wirklichkeit, nicht von menschlicher Vermittlung 'verunreinigt' oder verdreht und eben deshalb schlechthin verlässlich." 

Werbick nennt als Merkmale:

Offenbarungsfundamentalismus,

Lehramtsfundamentalismus,

Glaubenswissen ist Faktenwissen,

juridisches Offenbarungsparadigma (faktische Geltung der Sätze steht im Vordergrund, argumentative Begründung erscheint nicht angebracht),

Jede Normverletzung stellt alles von Grund auf in Frage,

Intoleranz gegenüber „Abweichlern“,

klare Grenzen zwischen Wahrheit und Irrtum,

Personalisierung des Wahrheitszugangs,

Systemangst: zwanghaftes Sicherheitsbedürfnis und Skrupulosität,

Integralismus (unmittelbar von Gott normierte Verhältnisse in allen Lebensbereichen),

aggressive Selbstlegitimation,

andere Verhaltensweisen sind unmoralisch,

Abwertung von Mehrheitsentscheidungen,

alles wird zur Wahrheitsfrage stilisiert.

 


- Andreas Weiß, Pius oder Konzil? Zum Umgang mit fundamentalistischen Gruppen am rechten Rand der römisch-katholischen Kirche, in: B. Dennemarck, H. Hallermann, T. Meckel (Hg.), Von der Trennung zur Einheit, Würzburg 2011, 315-337. 


Die Überlegungen von Weiß stehen im Kontext der Auseinandersetzung mit den Piusbrüdern. Dennoch versucht Weiß zunächst allgemein zu klären, woran man die fundamentalistische Ausrichtung einer religiösen Gruppe festmachen kann. 

Weiß nennt folgende Kriterien:

intransigentes Beharren (Ablehnen von rationalem Diskurs, Kompromissunfähigkeit),

ausgeprägtes Beharren auf der Autorität der Führungsperson,

Selbstsicherheit und Elitarismus,

Kritikunfähigkeit,

andere werden ins Unrecht gesetzt,

Selbstverständnis als „heiliger Rest“,

Tradition („freilich ahistorisch missverstanden als statische Unwandelbarkeit, als reine Bewahrung und Archivierung“) ist einziger locus theologicus (einzige Wahrheitsquelle),

absolute Verbindlichkeit lehramtlicher Texte ohne historisch-kritische Hermeneutik,

Dualismus (klare Einteilung von Welt und Menschen in gut und böse),

Reduktion der Glaubenslehre auf wenige wichtige Wahrheiten.

2 Kommentare:

  1. Ich empfehle Sigrid Chamberlain, "Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" zu lesen !
    http://www.weltbild.de/3/14236346-1/buch/adolf-hitler-die-deutsche-mutter-und-ihr-erstes-kind.html

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    1. Ja, man kann dieses Buch in Kombination mit dem Phänomen des katholischen Fundamentalismus in der Nachkriegszeit so versteht, dass die Generationen der Kriegs- und Nachkriegsjahre bis hinein in die Jahrgänge der 1960er aufgrund ihrer Erziehung besonders anfällig dafür sind, sich bis zur Selbstaufgabe gehorsam in geschlossenen Systeme ein- und unterzuordnen. Das würde auch erklären, warum es solchen Gruppen schwerer fällt, Mitglieder aus aufgeklärt und liberal geprägten Familien zu rekrutieren bzw. warum sie zunehmend darauf setzen, ganze Familien als Assoziierte zu rekrutieren und die Erziehung der Kinder massiv zu beeinflussen...

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