Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Offene Fragen zu sexuellen Übergriffen im Werk

Eine Reform des deutschen Sexualstrafrechtes ist vom Bundestag einstimmig beschlossen worden. Das ist der aktuelle Anlass für die Erneuerung dieses Posts. Nach dem neuen Gesetz, das sich am Grundsatz der Einvernehmlichkeit orientiert, wäre nämlich eine Verurteilung des Paters, der Doris Wagner missbraucht hat, wahrscheinlich. Wir begrüßen die Reform, auch wenn sie in diesem Fall leider zu spät kommt. Wir möchten aus diesem Anlass 1. folgende nach wie vor offenen Fragen wiederholen und 2. in Erinnerung rufen, warum die Ermittlungen im Fall "Wagner" eingestellt wurden, nämlich nicht deswegen, weil der Beschuldigte sich als unschuldig erwiesen hätte.



Nach wie vor bleiben im Fall "Wagner" gewichtige Fragen an "Das Werk" im Raum stehen:

1) Wie kann es sein, dass ein Priester des Werkes nach eigener Aussage, zu einer (wesentlich jüngeren) Schwester aus "menschlicher Zuneigung" eine "dauerhafte Beziehung" (vgl. Beschluss des Landesgerichts S. 3) anstrebt, die offenbar unverhüteten Geschlechtsverkehr einschließt? Auch das ist nach Can. 1395 CIC ein schwerer Verstoß gegen das Zölibatsgelübde und müsste kirchenrechtlich geahndet werdenZudem kann sich jemand, der der Ideologie des "Werkes" anhängt, nicht auf "menschliche Zuneigung" berufen, vielmehr betrachtet er sie als Gefahr, von einer "dauerhaften Beziehung" ganz zu schweigen.

2) Wie kann es sein, dass es in diesem Fall kein kirchenrechtliches Verfahren gibt, sondern dem Beschuldigten nur eine "geheime Buße" auferlegt wird?

3) Wie kann es sein, dass die völlige innere und äußere Unfreiheit und der systematische geistliche Missbrauch gerade der jüngsten und abhängigsten Mitglieder der Gemeinschaft, der Novizinnen, in der säkularen und kirchenrechtlichen Beurteilung dieses Falles keine Rolle spielt, obwohl sie durch psychologische Gutachten oder anhand der fachlicher Begutachtung der Konstitutionen leicht nachweisbar wäre?

4) Wer glaubt ernsthaft, dass eine Anfang Zwanzigjährige innerlich gebrochene Frau, frei in sexuelle Handlungen einstimmt, die von einem über Vierzigjährigen Oberen an ihr vorgenommen werden, nachdem sie gerade erst ihr feierliches Jungfräulichkeitsgelübde abgelegt hat, wo sie doch laut der der Ideologie des Werkes in der Jungfräulichkeit ihre höchste Lebensbestimmung sehen muss? Und wer glaubt ernsthaft, dass ihr durch andere Obere des "Werkes" Hilfe zuteil geworden wäre?

5) Wie frei sind Schwestern des Werkes tatsächlich, sich innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft Hilfe zu holen, wenn sie von einem (hierarchisch höhergestellten) Mitbruder sexuell bedrängt werden?

6) Was geschieht im Fall, dass eine Schwester durch solche Übergriffe schwanger wird? Uns liegen Dokumente vor, in denen ausgesagt wird, dass in mindestens einem (weiteren) solchen Fall eine Betroffene zur Abtreibung gezwungen wurde.

7) Wann nimmt das Werk öffentlich zu anderen Fällen Stellung, in denen ehemalige Schwestern des "Werkes" von Priestern sexuell bedrängt, missbraucht und vergewaltigt wurden? Der mittlerweile suspendierte Jos Corstjens hat mindestens eine ehemalige Schwester des Werkes mehrfach vergewaltigtIrene Martens wurde als Schwester des "Werkes" missbraucht und berichtete in ihrem Buch von weiteren missbrauchten Schwestern, die zum Teil bis heute im "Werk" sind. - Wie viele Schwestern des Werkes sind Opfer sexueller Übergriffe geworden?




Warum das Verfahren im Fall "Wagner" eingestellt wurde

In Vergewaltigungs- und Missbrauchsfällen wird von Seiten der Täter oder der Gruppen, denen sie angehören, gerne darauf hingewiesen, dass es keine gerichtliche Verurteilung gegeben hätte. So auch im Falle des Paters, der Doris Wagner 2008 mehrfach vergewaltigt hat. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Damit ist allerdings nicht belegt, dass der Beschuldigte unschuldig wäre.

"Das Werk" "verkauft" diese Einstellung der Ermittlungen in seiner Stellungnahme zwar als eine Art "Beweis" für die Unschuld des Paters. Doch das ist falsch: Durch die Einstellung des Verfahrens weist die Staatsanwaltschaft nicht den Vorwurf der Vergewaltigung zurück, sondern das Gericht erkennt lediglich an, dass eine Verurteilung unwahrscheinlich ist. Das liegt zum einen an Mängeln des Sexualstrafrechtes, für das es lange Zeit unerheblich war, ob der Täter sich über den Willen des Opfers hinweggesetzt hat. Zum anderen liegt es an der Aussage des Beschuldigten. Nach der Strafrechtsreform 2016 wäre der Fall höchst wahrscheinlich strafbar, weil der entgegenstehende Wille des Opfers Berücksichtigung finden würde.

Zur Nachvollziehbarkeit des Falles dokumentieren wir hier den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch.

Das Gericht stellt nicht in Frage,

1) dass es zu sexuellen Handlungen des Beschuldigten am Opfer gekommen ist.
2) dass das Opfer sich zu diesem Zeitpunkt wehrlos gefühlt hat und dass eine solche Wehrlosigkeit auch durch ein psychologisches Gutachten nachgewiesen werden könnte.
3) dass das Opfer im Werk nicht frei mit anderen Personen kommunizieren konnte.
4) dass der Beschuldigte wesentlich älter, körperlich stärker und hierarchisch höhergestellt war als das Opfer.

Es muss allerdings zur Kenntnis nehmen

1) dass der Beschuldigte die Handlungen als einvernehmlich schildert (wobei die Umstände der Tat, die Jungfräulichkeits-Ideologie des Werkes u.a., die diese Aussage absurd erscheinen lassen, nicht berücksichtigt werden)
2) dass er auch  nach Aussage des Opfers keine grobe Gewalt angewendet hat (was für die Erfüllung des Straftatbestandes "Vergewaltigung" nach der damaligen Gesetzeslage unerlässlich war).
3) dass ihm nach dem Dafürhalten des Gerichtes nicht sicher nachgewiesen werden könnte, dass er sich der Wehrlosigkeit des Opfers bewusst war (was angesichts der Umstände und der Rolle des Täters als leitender Verantwortlicher im Werk, aber tatsächlich leicht nachweisbar sein dürfte)

Der damalige juristische Umgang mit Fällen dieser Art war fragwürdig und widersprach der Europäischen Konvention, weil er Täter in vielen Fällen, besonders jene, in denen Wehrlosigkeit, Angst und psychischer Druck eine Rolle spielen, praktisch ungestraft lässt. Aus diesem Grund hat der djb (Deutscher Juristinnenbund) ein Grundsatzpapier vorgelegt, in dem er diese Schwachstellen des Sexualstrafrechtes darstellt und eine Reform durch den Gesetzgeber fordert.




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