Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Schwester im Werk von 1967 bis 1974 - Teil V


Das Werk schien nun nicht mehr die vom Evangelium inspirierte Gemeinschaft zu sein; sie schienen nicht wirklich so sehr um die „Einheit“ bekümmert zu sein, wie sie jedem vorschwärmten. Ich bemerkte, dass zwei Sprachen gesprochen wurden: zuerst gab es die Sprache, die die Verantwortlichen untereinander sprachen, und dann gab es die, in der sie mit den Mitgliedern sprechen mussten. Ich musste bspw. einmal einer Schwester mitteilen, dass sie „von Gott dazu berufen war“, sich um ältere Menschen und ältere Religiosen zu kümmern: Sie sollte das Evangelium in der Altenpflege verwirklichen und da in aller Stille den Geist des Werkes einfließen lassen. Diese schönen Worte verbargen, dass die Leitung eigentlich nicht wusste, was sie mit dieser Schwester anfangen sollten. Sie war wirklich kein Blitzdenker, sondern eher etwas naiv. Ich bekam den Auftrag, sie doch hin und wieder noch in die Gemeinschaft in Innsbruck zurückkommen zu lassen, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der Kontakt zu ihr nach und nach abbrechen würde.


Mir wurde bewusst, dass es im Werk eine Kerngruppe gab, die ganz bewusst Sachen durchsetzten, von denen die Mitglieder keinen blassen Schimmer hatten. Die „Offenheit“, die man aufbringen sollte und die so selbstverständlich vorausgesetzt wurde, schien ausschließlich für die gewöhnlichen Mitgliedern zu gelten, nicht für die Leitung. Ich war z. B. wochenlang damit beschäftigt, eine Wohnung in Berchtesgaden einzurichten, wo alle „Berichte“ der Mitglieder in feuerfesten Behältern aufbewahrt werden sollten. Die Mitglieder, die mit mir in Innsbruck wohnten, durften aber unter keinen Umständen erfahren, wohin ich mich da regelmäßig auf den Weg machte. Später erst fiel mir auf, welchen Symbolwert dieser Ort hatte. Lag unser Archivbunker, mit all den geheimen Informationen über die Mitglieder und viele andere Personen, nicht direkt gegenüber dem Adlerhorst Hitlers?


Ich erlebte, dass immer genug Geld da war, um die Pläne der Leitung zu finanzieren: Telefongespräche, Autofahrten, Porto... es wurde nie zu teuer. Gleichzeitig wurde von den gewöhnlichen Mitgliedern große Sparsamkeit verlangt. Das Projekt einer eigenen Druckerei in Innsbruck, die zu nichts anderem bestimmt war, als die „Worte“ von „Mutter“ zu drucken, verschlang ziemlich große Summen. Was das Papier, die Tinte, die Instanthaltung der Maschinen kostete, spielte dabei keine Rolle. Aber das Budget für die Lebensmittel, die Kleidung und alles, was die Mitglieder benötigten, musste auf ein Minimum heruntergedrückt werden: wir waren ja arm wie das Jesuskind im Stall von Betlehem, nicht? Es wurde mit verschiedenem Maß gemessen. Das merkte ich besonders deutlich während einer der vielen „Krankheitsphasen“ von „Mutter“. Sie war damals in Innsbruck, aber alle mussten im Glauben gehalten werden, sie wäre in Rom. Jeden Tag gab es ein Telefonat mit einem „Doktor“ in Belgien. Die Medikamente, die er per Telefon empfahl, mussten dann zuweilen in München besorgt werden – und das geschah sofort. Zur selben Zeit hatte eines der „normalen“ Mitglieder eine Halsentzündung. Als ich vorschlug, einen Arzt zu Rate zu ziehen, bekam ich von „Mutter“ die liebevolle Antwort: „Lass sie das nur mal aushalten; es ist ganz deutlich eine Versuchung des Teufels, sie muss lernen, ihre Berufung zu verdienen. Ihre Krankheit ist nichts anderes als ein Zeichen ihrer Untreue.“ Damit war es um den schönen Schein getan.


Nun empfand ich noch deutlicher, was mir damals in Villers schon aufgefallen war: es wurde jedes Mal eine gewaltige Energie aufgebracht, wenn ein „Besucher“ ins Haus kam, ganz besonders dann, wenn es um einen einflussreichen Priester, einen Bischof oder sonst jemanden ging, der dem Werk potenziell wohlgesinnt war und irgendwie als Zugang oder Brücke irgendwohin geeignet war, damit die Pläne des Werkes umgesetzt werden konnten. Mir wurde langsam klar, dass nicht Gott einen Plan mit dem Werk in der Kirche hatte, sondern dass das Werk Pläne mit Gott in der Kirche hatte. Und ich erkannte, dass unsere regelmäßigen Berichte die Leitung perfekt in die Lage versetzten, alles und jeden zu kontrollieren. Und wenn es jemand wagte, einem anderen Mitglied gegenüber einmal Zweifel oder Kritik an der Gemeinschaft zu äußern, ging er damit immer zugleich das Risiko ein, dass der andere es in seinem Bericht melden würde. Das war ein erstickendes System. Mir wurde klar, dass die ganze Kraft, das Geld, die Begabungen, die Zeit, - alles, investiert wurde, um die Fassade des Werkes aufzubauen. Was das eigentliche Ziel des Werkes war, war mir aber noch nicht klar... 


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Schwester im Werk von 1967 bis 1974 - Teil IV


Ich verließ Rom. Man sagte mir, dass ich wieder nach Villers kommen sollte. Dort bekam ich eine Aufgabe in der Druckerei. In Villers herrschte eine andere Atmosphäre als in Rom. Die Regionalverantwortliche dort erklärte mir gleich ohne alle Umschweife, dass in Rom eine verkehrte Lebensweise gepflegt worden wäre; die Mitglieder hätten dort zu viel Entspannung gehabt und der Geist des Werkes wäre nicht immer gewahrt worden. Ich fragte nicht, was mit den anderen geschah, die mit mir in Rom studiert hatten – oder mit der Regionalverantwortlichen von Rom. Man sagte mir nur, dass ich dazu „geformt“ werden würde, selbst eine Verantwortliche zu werden. Das erfüllte mich mit Stolz, sodass ich mit doppeltem Eifer ans Werk ging. Und die Regionalverantwortliche ließ mich weiterhin spüren, dass ich auch hier wieder eine bevorrechtigte Stellung einnahm, ich wäre „besonders berufen“, „das verstehen nur wenige“, „du kannst das“.


Immer wieder war ich bei den Gesprächen der Hauptverantwortlichen in Villers zugegen. Der „Rat“ nahm für gewöhnlich die Mahlzeiten nicht gemeinsam mit den normalen Mitgliedern ein. Es war eher selten, dass die „Großen“ einmal am Tische der „Kleinen“ Platz nahmen. Hier nun lernte ich jemanden kennen, der im Werk eine sehr große Rolle spielen sollte: Mikle Strolz (Maria Katharina Strolz). Ich war im Ungewissen darüber, woher sie kam. Auch durfte ich keine Fragen stellen. Eines war aber klar: sie ging nicht den gewöhnlichen Weg der neu Eingetretenen im Werk. Ihre Vertrauensposition bei „Mutter“ war von Anfang an eine ganz besondere. Es lag auf der Hand, dass sie eine Führungsrolle im Werk einnehmen würde. Verantwortliche, die schon viele Jahre Vertraute von „Mutter“ gewesen warn, mussten nun zurück auf den „zweiten Rang“.


Einige Monate später wurde ich als Verantwortliche in Innsbruck eingesetzt. Ich sollte Suzanne de Maesschalck ersetzen. In den Gesprächen der Hauptverantwortlichen war in letzter Zeit viel Kritik an Suzanne laut geworden. Offensichtlich hatte es schon in den Jahren zuvor Schwierigkeiten zwischen ihr und „Mutter“ sowie zwischen ihr und anderen älteren Mitgliedern gegeben. Außerdem hatte ich verstanden, dass sie früher eine wichtige Rolle gespielt hatte und dass sie für das Werk viele Kontakte zu einflussreichen und vermögenden Personen unterhielt. Aber sie passte nicht mehr ins Kader, ja sie war zur Last geworden, anscheinend vor allem für Mikle Strolz. Die Angriffe auf Suzanne wurden in bestimmte Phrasen gekleidet, wie etwa „Sie ist dem Geist des Charismas untreu geworden. Sie hat das Geheimnis des Königs verraten. Sie lebt die Hingabe im Werk nicht mehr“. Obwohl ich nicht genau wusste, worum genau es in diesem Streit zwischen Suzanne und dem Rest der Leitung ging, wurde mir allmählich klar, dass das alles Tarnung war. Tatsache war: Suzanne war im Weg. Sie musste aus ihren Reihen verschwinden. Während meiner Ausbildung im Werk hatte ich viel über die schrecklichen Praktiken kommunistischer Regime lesen müssen. Was ich jetzt erlebte, schien mir aber regelrecht von dort her zu kommen. Was mit Suzanne geschah, war wie aus einem kommunistischen Programmbuch entnommen. Das war die reinste „Säuberung an der Spitze“. Es tat mir leid, weil ich Suzanne immer bewundert hatte. Ich wurde nachdenklich, aber zugleich behielt ich Vertrauen zur Gemeinschaft und setzte mich weiter für sie ein. Die Gemeinschaft in Innsbruck schilderte man mir als einen großen Trümmerhaufen, den Suzanne zurückgelassen hatte. Dort sollte ich alles wieder in Ordnung bringen. Ich sollte die dort arbeitenden Mitglieder begleiten, eine Druckerei auf die Beine bringen und Kontakt mit den Priestern halten, die dem Werk gegenüber wohlgesinnt waren. Außerdem sollte ich Kontakt halten mit den Mitgliedern, die „draußen“ arbeiteten, sie regelmäßig für ein Wochenende oder ein paar Tage einladen, und dafür sorgen, dass sie regelmäßig ihren finanziellen Beitrag leisteten. Ganz besonders sollte ich potenzielle neue Kandidaten betreuen, um zu beweisen, dass ich auch „Mutter“ sein könnte für das Werk. Und ganz selbstverständlich sollte ich alles regelmäßig nach Villers berichten bzw. dorthin, wo die „internationale Leitung“ gerade war. Strolz hatte darin bereits eine zentrale Stellung inne.


Wann genau es geschah, kann ich kaum sagen. Es ist eher das Ergebnis vieler kleiner Vorkommnisse, die mir nach und nach die Augen für die Realität geöffnet haben, in der ich mich befand. Ich kann es kaum beschreiben. Menschen, die das nicht selbst erfahren haben, werde ich es kaum veranschaulichen können: Allmählich wurde ich mir bewusst, in was für einem erstickenden Mechanismus ich gefangen war – ich gemeinsam mit vielen anderen. Vor allem das, was anderen angetan worden ist, hat mir die Augen geöffnet. 


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