Von den Ex- Mitgliedern
der zweiten Generation, also von denen, die nach uns „fliehen“ konnten,
erfuhren wir, dass Mikle Strolz (Maria Katharina Strolz bzw. „Mutter“
Katharina) eine würdige Nachfolgerin Verhaeghes ist. Wir erfuhren von ihnen,
dass sie gleichsam in einer Diktatur gelebt hatten. Wir, die schon zehn Jahre draußen waren, verstanden, dass es so
hatte kommen müssen. Uns wurde nun klar, warum „Mutter“ niemals eine
geschriebene Regel wollte und warum jeder Versuch, eine Regel zu verfassen
misslang. Sie ließ es schlicht und einfach misslingen. Für die Außenwelt war
eine Regel aber wichtig, ging es doch darum unter einem Etikett laufen zu
können. Ihr war es völlig egal. Heimliche Bewunderung empfand sie dagegen für
jeden großen Namen. Vom Geheimdienst Hitlers war sie geradezu besessen. Die
„drei Pfeiler“, das „nicht räsonieren, nicht diskutieren, nicht kritisieren“,
die 1972 entstanden, waren gewissermaßen aus den Lehren von Lenin, Stalin, Mao
und Hitler destilliert.
Die Gründerin gab zu,
dass sie Gedankengut von anderen stehlen musste. Sie selbst hat nie studiert.
Indem sie aber eine „Berufene“ studieren ließ,
bspw. eine Promotion in Kanonischem Recht oder einer anderen
Wissenschaft, konnte sie ihre Auszeichnungen und Bücher für sich beanspruchen.
Die Mitglieder mussten mit ihrem Blut unterschreiben, dass sie ihre Abschlüsse
nie gebrauchen würden. Es gehörte alles ihr, auch wenn sie nichts davon
verstand. Es entsprach ihrer Gewohnheit hier und dort etwas aus anderen Regeln
abzukupfern, oder sie bediente sich der Kenntnisse von einem ihrer Mitglieder.
Mikle Strolz setzt
diese Praxis fort. Sie wacht über die Mitglieder, die für sie arbeiten. Sie
befiehlt ihnen, Berichte über die Priester, Prälaten oder Bischöfe zu
schreiben, bei denen sie sie arbeiten lässt.
Alles was sie will, ist zu erfahren, was diese geweihten Männer so alles
von sich geben. Jedes Mitglied ist dazu verpflichtet jeden Tag einen Bericht
abzufassen über alles, was es hört und sieht. Strolz will wissen, was in den
höchsten kirchlichen Kreisen geschieht. Ständig ist sie unterwegs und sucht
sich dort, wo sie gerade hinkommt, beliebig ihre Opfer aus. Opfer, das heißt
Mitglieder, die stets aus heiterem Himmel einen völlig neuen Auftrag bekommen.
Sie lauert auf den Erlös von Heiligtümern und ist auf den Besitz ihrer
Mitglieder aus. So saßen sie z. B. bis 1995 am Eingang des Wallfahrtsortes
Banneux in Belgien. Frau Strolz braucht nämlich viel Geld: für sich selbst, für
ihre Familie und für Schweigegeld. Ein Ex- Mitglied bekam z. B. 200.000
Belgische Franken (das sind umgerechnet ca. 5.000 €) von ihr, damit sie
niemandem etwas von ihren Erfahrungen im Werk erzählte. Dabei schöpft sie aus
dem, was Mitglieder an Geld und Eigentum mitbringen. Wenn diese etwas nicht
schnell und willig genug abgeben, bestraft sie sie, auch indem sie sie für
kürzere oder längere Zeit wegsperren lässt. Einige Mitglieder lässt sie sogar
für krank erklären und lässt sie endgültig wegschließen. Das wolle sie selbst
nicht so, wehrt sie in solche Fällen ab, aber „es liegt in der Familie des
Mitgliedes“. Wie muss es erst Mitgliedern ergehen, die nach zwanzig, dreißig
Jahren alleine draußen stehen?
Wir begriffen nun auch,
warum Mikle die ersten zwanzig Jahre des Werkes unter Verhaeghe vergessen
machen wollte. Die ersten Mitschwestern, die tagelang einen Teil Belgiens
durchqueren mussten, um Geld für das Werk zu sammeln, wissen auch sehr genau,
was mit diesem Geld geschah. In verschiedenen Bistümern gibt es Akten mit
Aussagen von Ex- Mitgliedern aus dieser Zeit. Mikle forderte systematisch
von den Bistümern alle diese Akten an. Um sie verschwinden zu lassen? Diese
Mitschwestern haben wie „Arbeiterameisen“ den Besitz des Werkes finanziert.
Einige haben es mit ihrem Leben bezahlt, weil sie auf ihren Sammeltouren solche
Entbehrungen in Kauf nehmen mussten. Bei unseren Zusammenkünften erzählten sie,
dass damals jeden Montag eine Gruppe von zehn jungen Frauen in verschiedene
Richtungen losgezogen ist. Ganz Belgien musste durchquert werden, keine Straße
durfte vergessen, kein Haus ausgelassen werden. Und das eine ganze Woche lang.
Samstagsnachmittags erwartete man sie mit der aufgetragenen Summe zurück. War
noch nicht genug gesammelt, mussten sie noch einmal los, um den fehelenden
Betrag in der Umgebung aufzutreiben. Dass die Mitglieder dabei viele Abenteuer
und Diskussionen mit der Polizei durchstehen mussten, ließ Verhaeghe kalt. Zudem
mussten sie das alles ohne Transportmittel bewältigen. Sie gingen dabei große
Risiken ein. Schlafen und Essen wurde auf ein Minimum beschränkt. Sie wussten
nie, ob sie am nächsten Abend einen Schlafplatz haben würden. Soviel Liebe und
Kraft musste man als Mitglied für die Gemeinschaft übrig haben.
Strolz will diese Zeit
ein für alle Mal vergessen machen. Sie erklärt noch immer ungerührt, dass die
Mitglieder von alledem nichts verstanden hätten. Sie kann die Ereignisse derart
geschickt umdeuten, dass die heutigen Mitglieder Verhaeghe für eine Heilige
halten. Außerdem will Mikle mit den älteren Mitgliedern nicht belastet werden,
nur die alte „Mutter“ braucht sie noch, um ihren Weg gehen zu können. Sie hat
für „Mutters“ Tod bereits alles vorbereitet.
Unsere größte Sorge
gilt den Mitgliedern, die immer noch im Werk sind. Es gibt wohl einige, die
herauswollen, die aber von ihren Eltern und Geschwistern nicht aufgefangen
werden können. Außerdem ist es sehr schwierig, Kontakt zu einem Mitglied des
Werkes zu bekommen. Ihr Verhalten kann tatsächlich sehr befremdend und
unverständlich sein. Alles, was wir raten können, ist: Wenn Sie ein
Familienmitglied im Werk haben, führen Sie ein vernünftiges, erwachsenen
Gespräch mit ihm/ihr. Machen Sie niemals Vorwürfe und bleiben Sie immer offen
für ihn/sie, wie befremdend das Verhalten auch erscheinen mag. Früher oder
später kommen sie doch nach dem Erbe sehen. Oder sie kommen, um für ihr
heiliges Werk zu betteln. Nutzen Sie auch diese Gelegenheiten nicht, um sie zu
verletzen. Vielleicht haben sie durchaus den Mut, die Gemeinschaft zu
verlassen. Machen Sie sich bewusst, dass sie nirgendwohin gehen können. Sie
wegzuschicken wäre ganz falsch. Wenn jemand das Werk verlässt, denkt er in der
ersten Zeit, dass er ein „Teufel“ ist, der „das Licht verraten hat“. So nennt
man das im Werk, mit derlei Sprache werden die Mitglieder indoktriniert und
verunsichert. Wir, die Ex-Mitglieder, haben vertrauen gelernt. Wir vertrauen
der Vorsehung, nicht durch das Werk, aber durch unsere Familien und Freunde,
die uns verstanden und uns aufgefangen haben. Wir sind dankbar für diese
Befreiung und wünschen sie von Herzen all jenen, die noch im Werk sind.