Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Führerkult

Eines der Merkmale fundamentalistischer Gruppen ist Personen- oder Führerkult (Beinert: Führer kommt von Gott/ Führergehorsam; Weiß: Beharren auf der Autorität der Führerperson): der Anführer oder Gründer der Gruppe wird in übertriebener oder extremer Weise verehrt, Orte werden nach ihm benannt, Gedenktage werden ihm gewidmet, seine Biographie wird in eine Legende verwandelt, die die Ideologie der Gruppierung bestätigen und verherrlichen soll. Im Unterschied zur Heiligenverehrung ist der "Führer" dabei nicht eine Figur unter vielen, seine Verehrung entsteht nicht spontan, sondern wird bewusst inszeniert oder gar erzwungen, die Deutungshoheit über sein Leben, seine Schriften und Taten obliegt allein ihm selbst bzw. seinen Nachfolgern.

Alle diese Elemente des "Führerkultes" treffen auf Julia Verhaeghe und ihre Verehrung im Werk zu.

Die Präsenz ihres Namens und Bildes: In jedem Haus des Werkes, in dem mehr als vier Personen ständig leben, gibt es ein "Mutter-Julia-Zimmer", in das Besucher geführt werden, um dort "ihre Nähe" zu "erfahren". Vor allen Kapellen des Werkes hängen Bilder Verhaeghes. Jedes Mitglied, das nicht in einem Zentrum des Werkes lebt, muss in seinem Zimmer ein Bild Verhaeghes anbringen. Das Grab Verhaeghes in der Klosterkirche des Mutterhauses in Bregenz wird mit Kerzen und Votivtäfelchen regelrecht zum Wallfahrtsziel inszeniert.

Gedenktage: Der liturgische Kalender des Werkes ist gespickt mit Gedenktagen Verhaeghes, die oft wie Hochfeste begangen werden, das sind im Einzelnen:
18. Januar: am 18.01.1938 soll Verhaeghe eine mystische Vereinigung mit Cyrill Hillewaere erlebt haben, die sie dann den "Gründungstag" des Werkes nannte.
13. Mai: Namenstag Verhaeghes
16. Juli: Verhaeghe verließ an diesem Tag ihr Elternhaus.
29. August: Todestag Verhaeghes.
11. November: Geburtstag Verhaeghes.
13. November: Tauftag Verhaeghes.
Nicht nur diese spezifischen Verhaeghe-Gedenktage sind hier zu nennen, sondern auch die Tatsache, dass die Gedenktage, Feste und Hochfeste des liturgischen Kalenders zu Verhaeghe-Gedenktagen umfunktioniert werden: das Fest der Bekehrung Pauli etwa erinnert ebenso an die "Bekehrung" Verhaeghes als Jugendliche; das Hochfest des Herzens Jesu erinnert an das "Bündnis" Verhaeghes mit dem Herzen Jesu. Propheten-Gedenktage, die es im erneuerten liturgischen Kalender nicht mehr gibt (außer im Patriarchat Jerusalem), werden im Werk dennoch gefeiert, dazu eine Reihe anderer Feste aus dem "alten" Kalender, weil Verhaeghe mit diesen Festen persönliche Erinnerungen verbindet und sie für die von ihr entwickelte Spiritualität wichtig sind: Jesaja als Prophet der Bekehrung (Bekehrung natürlich im Sinne des dualistischen Menschenbildes des Werkes) oder Elia, der die Baalspriester getötet hat (Zeichen seiner Treue zu Gott in gottlosen Zeiten). Dazu kommen einige Gedenktage des von Verhaeghe besonders verehrten Papstes Pius XII. (Geburtstag, Todestag, Bischofsweihe).
Außerdem ist Verhaeghe direkt oder indirekt in allen Gebeten präsent, die die Mitglieder täglich sprechen: das Morgengebet und der Abendsegen sowie beinahe alle Gebete im wöchentlichen Gebetbuch sind aus Zitaten aus ihren Briefen zusammengesetzt, darüberhinaus wird im Abendsegen, im Dankgebet für das Charisma und in anderen direkt dafür gebetet, dass die Mitglieder ihrem Beispiel treu bleiben, sie als Mutter lieben, ihr Andenken bewahren, sich ihrer würdig erweisen etc.

Legendenbildung: Bis vor zehn Jahren gab es überhaupt keine schriftlichen "Quellen" zur Person Verhaeghes. Im Jahr 2005 erschien dann die Teilbiographie "Sie liebte die Kirche. Mutter Julia und die Anfänge der geistlichen Familie 'Das Werk'". Das Buch nennt keinen Verfasser und ist im Eigenverlag erschienen. Es ist eine ganz klare Legendenbildung, die bewusst auf eine lange zurückliegende Zeit verweist (1910 bis 1950) und die gesellschaftlichen Umbrüche der 60er Jahre sowie die Konzils- und Nachkonzilsjahre meidet. Dabei verstarb Verhaeghe erst 1997, und die Gemeinschaft begann 1950 gerade erst so zu existieren. Erzählt wird also hauptsächlich die Kindheit und Jugend Verhaeghes in der Kriegs- und Nachkriegszeit.
Verhaeghe wird im Stil einer Heiligenlegende als Berufene und Auserwählte, Leidende, Sich-Bekehrende, Weise, Inspirierte und Weitsichtige, dargestellt. Jedes Kapitel ihres Lebens ist zugleich ein Wesensmerkmal der Spiritualität des Werkes. Kritik, Differenzierungen, offene Fragen, verschiedene Perspektiven sucht man in diesem Buch vergebens. Verhaeghe wird inszeniert.
Dazu kommt, dass niemandem innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft eine eigene Meinung zu Verhaeghe zugestanden wird. Ihre Texte befinden sich samt und sonders im Privatarchiv des Werkes, zu dem nicht einmal die "normalen" Mitglieder des Werkes Zugang haben. Von dort dringen nur Zitate heraus, die "massentauglich" und der Verehrung Verhaeghes zuträglich sind. Diese werden dafür umso eifriger verbreitet. Wer sie wirklich war, was sie wirklich geschrieben, gedacht und gesagt hat, ist für Mitglieder wie Außenstehende gleichermaßen rätselhaft. Dies umso mehr, als ehemalige Mitglieder aus der damaligen Zeit ihr z. T. massive Vorwürfe machen, zu denen das Werk aber bisher keine Stellung genommen hat.

Inszenierte Verehrung: Das Werk druckt massenweise "Worte" Verhaeges, Novenen und Gebetsbildchen. Seit Jahren werden alle Mitglieder des Werkes dazu aufgefordert "Zeugnisse" über Verhaeghe zu sammeln, also Berichte von Personen, die Erinnerungen an Verhaeghe haben oder sich von ihrer "Lebensgeschichte", ihrer "Person" oder ihren "Worten" angesprochen fühlen. Die Assoziierten des Werkes werden an ihr Grab und in ihr Zimmer geführt, bekommen Vorträge über sie zu hören, müssen sich darüber äußern, was ihnen "Mutter" bedeutet und wie sie ihre "Hilfe" erfahren. Priester des Werkes, die auswärts die Messe feiern und predigen, werden dazu angehalten, in ihren Predigten über Verhaeghe zu sprechen. Fast das gesamte "Apostolat" des Werkes geschieht mit Worten Verhaeghes oder gar mit dem Ziel, Gläubige zu Verhaeghe-Verhehrern zu machen. Dabei hält sich die Zahl selbst derer, die nach gezielter Werbung ein "Zeugnis" geben oder an ihr Grab kommen, sehr in Grenzen. Von "spontaner Verehrung" kann keine Rede sein.

Warum Führerkult gefährlich ist: Wenn der Führer zum letzten Maßstab für dir Moral und das Handeln einer Gemeinschaft wird und noch dazu die Deutungshoheit über die Worte und den Willen des Führers bei diesem selbst oder einer kleinen Gruppe liegt, die die Verantwortung für die Leitung der Gemeinschaft innehat, ist Willkür und Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Mitglieder können sich nicht gegen Beschuldigungen oder Anforderungen wehren, die unter Berufung auf den Führer an sie gerichtet werden. Sie können weder auf andere Maximen rekurrieren, auch nicht auf biblische oder kirchliche, da die Auslegung solcher anderer Maximen wiederum von der Leitung gemäß den Worten Verhaeghes getroffen wird, die unbedingt gelten. Mitglieder des Werkes können sich weder auf Worte Verhaeghes berufen, die sie nicht kennen (der Zugang zu ihren Texten ist streng geregelt) noch auf andere Interpretationsmöglichkeiten ihrer Texte, da allein die Leitung entscheidet, wie die Texte auszulegen sind. So kann unter Berufung auf Verhaeghe schließlich alles mögliche gerechtfertigt und von den Mitgliedern gefordert werden, von der Vorenthaltung medizinischer Versorgung über den erzwungenen Kontaktabbruch zur eigenen Familie bis hin zur Vertuschung von sexuellem Missbrauch.


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