Das Zusammenleben von Männern und Frauen im Werk.
Ideal und Realität
Die gottgeweihten Männer und Frauen des „Werkes“ müssen sich bewusst bleiben, dass die fruchtbare gegenseitige Ergänzung nur dann möglich ist, wenn sie sich von der Gnade des „Heiligen Bündnisses“ durchdringen lassen und die Vorrangstellung der Jungfräulichkeit im konkreten Leben beachten. Sie sollen in Treue und Entschiedenheit den Weg der Nachfolge gehen, denn „die Komplementarität in der geistlichen Vater- und Mutterschaft, wie sie im ‚Werk‘ gesehen und gelebt werden muss, setzt eine tiefe Läuterung und Heilung von den ungeregelten Begierden der sündigen Natur in Gottes barmherziger Liebe voraus. Diese gegenseitige Ergänzung ist ein wahres Gnadengeschenk Gottes an die heilige Kirche und kann ohne diese Voraussetzung nicht in der von Gott gewollten Weise fruchtbar werden“ (M.J.V.).
Die gottgeweihten Männer und Frauen streben danach, einander in Vertrauen, Offenheit und Herzlichkeit, mit Achtung und Ehrfurcht zu begegnen. Sie achten auf einen gottgeweihten Lebensstil, meiden unreifes Verhalten und unmündige Anlehnung, halten Rechnung mit den Neigungen der menschlichen Natur und üben jene Aszese, die das gottgeweihte Leben fordert. Sie helfen sich gegenseitig, ihre jungfräuliche Liebe zu schützen und sie zu einer aufbauenden Kraft für ihre geistliche Familie und für andere Menschen werden zu lassen. Die gegenseitige Ergänzung von gottgeweihten Frauen und Männern soll für viele Menschen ein Zeugnis für das segensreiche Zusammenwirken von Männern und Frauen im Dienst der Kirche sein.
Konst III, 41.
Das Zusammenleben von Männern und Frauen. Das Ideal.
Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen ("männlich" und "weiblich" nach dem Hebräischen Text der Bibel). In ihrer Verschiedenheit bereichern sich die Geschlechter gegenseitig. Das gilt für jeden Bereich des menschlichen Lebens, auch für das geweihte Leben. Auf allen Ebenen des Ordenslebens können Männer und Frauen einander etwas geben: im Gebet, in der Pastoral (besonders in der Familienpastoral), in der täglichen Arbeit usw. Dabei begegnen sie einander mit herzlichem Vertrauen und mit der gebührenden Ehrfurcht, die Menschen gegenüber angemessen ist, die Ehelosigkeit gelobt haben. - Eine Ehrfurcht, die ihre Zusammenarbeit nicht behindert, im Gegenteil, sie trägt und fördert.Das Zusammenleben von Männer und Frauen. Beobachtungen.
Im obigen Text fällt sofort auf, dass er von warnenden Hinweisen ganz durchzogen ist: unbedingte Voraussetzung ist die "Heilung der ungeregelten Begierden der sündigen Natur", gewarnt wird vor "unreifem Verhalten" und "unmündiger Anlehnung", vor den "Neigungen der menschlichen Natur", die nur durch "jene Aszese, die das gottgeweihte Leben fordert" in den Griff zu kriegen wäre.Tatsächlich wäre der (von erfahrenen Ordensleuten, Psychologen und Pastoraltheologen wie bspw. Sandra Schneiders oder Wunibald Müller) empfohlene Umgang von Priestern und Ordensleuten mit dem anderen Geschlecht der einer bewussten und reflektierten Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtlichkeit: wer bin ich als Mann/Frau? Was bedeutet es mir Mann/Frau zu sein? Welchen Raum gebe ich meinem Mann-/Frausein in meiner Berufung, in der Begegnung mit anderen, in meiner Arbeit? - Auch als Ordensmann/frau muss man sich zunächst bewusst machen, dass man Mann oder Frau ist und sein darf. Dazu muss man dann Wege finden, in denen das Bedürfnis, als Mann oder Frau geliebt zu sein und lieben zu dürfen auf eine der eigenen Berufung angemessene Weise zum Zuge kommt. Auch der Ordensmann/die Ordensfrau braucht geistig und emotional erfüllende Begegnungen, die die eigene Persönlichkeit (die tief von der Geschlechtlichkeit geprägt ist) berührt und ihre Entwicklung anregt. Die Ehelosigkeit ist der Verzicht auf eine ausschließliche, auf körperliche Vereinigung und Nachkommenschaft angelegte Partnerschaft. Sie ist nicht der Verzicht auf die eigene sexuelle Identität, auf menschliche Liebe und Freundschaft.
Im Werk wird die menschliche Natur nicht als Grundlage, sondern als Hindernis für die geweihte Berufung angesehen. Folgerichtig wird auch sexuelle Identität nicht integriert, sondern so weit wie irgend möglich unterdrückt und von außen kontrolliert. Dies gilt insbesondere bei den Frauen: sie müssen im Werk ihre Weiblichkeit ablegen; die einzig "legitime" Weise des Frauseins liegt nun in der "natürlichen" Neigung zur Hausarbeit. Im Zusammenleben mit den Priestern sind sie in erster Linie eine "Gefahr". Ständig steht die Sorge darum im Raum, dass sie so gekleidet sind und sich so verhalten, dass sie möglichst wenig als Frauen wahrgenommen werden. Es herrscht eine strenge Kleiderordnung: Sie müssen Unterkleider und wadenlange Röcke tragen, Schuhe und Blusen, die oft eine Nummer zu groß sind. Die Haare werden kurz geschnitten oder hochgesteckt.
Die Patres und Brüder müssen mitteilen, sobald sie eine "Versuchung" spüren, weil eine Schwester ihnen sympathisch oder attraktiv erscheint (umgekehrt auch, das kommt aber relativ selten vor). Dann setzt sich eine aufwendige Maschinerie in Gang: der Verantwortliche des betreffenden Bruders setzt sich mit der Verantwortlichen der betreffenden Schwester in Verbindung, ggf. werden noch die international Verantwortlichen informiert. Die "gefährliche" Schwester wird zurechtgewiesen, vermehrt beobachtet, ggf. versetzt, beide werden unter Druck gesetzt - häufig ohne, dass auch nur einer von beiden wirklich etwas im Sinne hatte, die Schwester weiß in der Regel nicht einmal, um wen es denn ging bzw. worum es überhaupt ging, sie erfährt nur, dass sie eingeschüchtert wird. Auch für den Bruder gibt es keine konstruktive Auseinandersetzung mit den dahinter liegenden Gefühlen und Sehnsüchten, vielmehr wird alles daran gesetzt, sie zu zerstören. Sie werden als sündhaft betrachtet.
Dies hat fatale Folgen für die Psyche: Wo diese Ur-Sehnsüchte des Menschen zerstört werden, geraten das Gefühlsleben und die Identität durcheinander und werden verwundet. Die Liebesfähigkeit kann sich nicht entwickeln, man verlernt, sich in andere einzufühlen und miteinander zu kommunizieren; das Selbstvertrauen leidet massiven Schaden. Männer wie Frauen werden in ihrer Identität und in der Begegnung mit anderen Menschen massiv verunsichert und entwickeln dabei verschiedene Bewältigungs- und Vermeidungsstrategien: Rückzug (geduckte Haltung, ausweichender Blick, leise Stimme), Kontroll- und Machtorientierung (der Versuch, den Umgang mit andere zu kontrollieren, ohne Gefühle und Signale verstehen zu müssen, das Bedürfnis, sich durchsetzen zu können, um nicht unterzugehen), Ersatzsuche (vermehrte Identifizierung und "Belohnung" in Nebenbereichen: Putzfimmel, Suche von Freundschaften in der Pastoral, geheime Hobbys). Alle diese Strategien können eine Steigerung bis zum pathologischen Befund erfahren: Depressionen, suizidäres Verhalten, Süchte, Psychosen, Essstörungen, psychosomatische Erkrankungen...
Logischerweise suchen sich die nicht integrierten sexuellen Triebe früher oder später ihre eigenen Wege. Dort, wo keine Sanktionen drohen, wie bspw. im Internet, oder auf der Ebene des Unbewussten, in Phantasien und Gedankenspielen, die das alltägliche anonyme Miteinander überlagern und sich auch von den vielen Kleiderschichten der Schwestern nicht abhalten lassen. Wenn es in dieser Atmosphäre aufgestauter Lust dann tatsächlich zu sexuellen Übergriffen kommt, kann der Täter darauf vertrauen, dass sein Opfer sich scheuen wird, zu sprechen; falls er/sie es doch tut, kann er in jedem Fall darauf vertrauen, dass der Gemeinschaft ihr Image wichtiger ist als seine Bestrafung oder der Schutz der anderen Mitglieder. Ja, Patres, die dafür bekannt sind, dass sie sich nicht immer im Griff haben, sind sogar davor sicher, dass man sie auf derlei Verfehlungen anspricht - die Furcht, es könnte tatsächlich Vorfälle gegeben haben, mit denen sich die Leitung dann befassen und Konsequenzen für den (vielleicht verdienten) Mitbruder zu ziehen hat, ist zu groß. Man will sich nicht damit auseinandersetzen, lieber schickt man Schwestern in Psychotherapie, entlässt sie aus der Gemeinschaft oder zahlt ihren Familien "Schweigegeld".