Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Mädchen, beinahe eingetreten - II


Als meine Eltern wieder nach Hause fuhren, nutzte ich die Gelegenheit, um ihnen zu eröffnen, dass ich mit ihnen kommen wollte. Den Leuten vom Werk sagte ich, dass ich vorerst nichts mehr von ihnen sehen oder hören wollte. Ich wollte wieder ich selbst werden. Mit einem Mal wurde mir nun die Tür gewiesen: "Gott ruft dich und du weigerst dich, ihm zu folgen!" Sie würdigten mich keines Blickes mehr. Alle Freundlichkeit und Herzlichkeit waren in wenigen Sekunden dahin. Eine letzte Warnung wurde ausgesprochen, ich durfte mit niemandem über meinen "Berufungskampf" (sprich: die mir zuteil gewordene Gehirnwäsche) reden. Allen Mitgliedern des Werkes wurde verboten, mit unserer Familie Kontakt zu halten. Sollte jemand von uns Briefe erhalten, müssten sie ungeöffnet den leitenden Verantwortlichen übergeben werden - zum "Wohl" des Werkes. Uns wurde mitgeteilt, dass niemand von uns mehr in den Häusern des Werkes willkommen war.

Der Weg zurück ins normale Leben wurde zum Leidensweg. Die Vorstellung, verdammt zu sein, die Vorstellung ins Werk zurück zu müssen - man kann sich nicht vorstellen, wie hart es ist, davon loszukommen! Mein Glaube war bis in seinen Kern ins Wanken geraten. Was ist Wahrheit und was ist Täuschung? Dazu musste ich mit dem Unverständnis meiner Umgebung fertig werden: "wie konntest du überhaupt auf sie hereinfallen?" Wenn man das von außen ansieht, ist es ja auch gar nicht zu begreifen. Man versteht das nur, wenn man es wirklich alles selbst erlebt hat. Es gibt einige Dinge, die so wichtig sind, wenn man mit einer solchen Gemeinschaft in Berührung kommt. Es gibt Momente, die ich hätte nützen müssen, um mir Klarheit zu verschaffen, zum Beispiel:

Nach einer Woche, die ich gemeinsam mit anderen Freunden im Werk verbracht hatte, wurde mir geraten, eine bestimmte Freundin nicht mehr einzuladen. Andere sollte ich aber auf jeden Fall wieder mitbringen. Ganz offensichtlich selektierten sie diejenigen aus, die "würdig" waren zum Werk zu gehören. Auch kritische Personen wurden ausgeschlossen, weil wir junge Menschen so beeinflussbar wären und der Kritik hätten glauben können. Es kam sogar vor, dass jemand extra angerufen wurde, er solle nicht zu einem Vortrag über das Werk kommen, weil er ja nur Kritik üben würde! Außerdem - und ich verstehe bis heute nicht, warum - durften Schwestern, die in einem Haus lebten, nichts davon erfahren, wenn im selben Haus eine von ihnen krank im Bett lag. Ja, leibliche Geschwister durften miteinander nicht über Familienangelegenheiten sprechen.

Außerdem hätte mir auffallen müssen, wie sehr sie es verstanden haben, eine Atmosphäre zu schaffen. Die sakrale Atmosphäre in ihren Gottesdiensten, die Ehrfurcht, mit der alles geschah, traf mich zutiefst. Einfachheit und Schönheit gingen Hand in Hand. Bei den Zusammenkünften herrschte große Freude unter den vielen jungen Menschen. Ein Gefühl von Zusammengehörigkeit entsteht. Man fühlt sich daheim... - aber es ist zu schön, zu gut. Später wurde mir bewusst, dass diese Atmosphäre gezielt geschaffen wird. Sie entsteht nicht spontan, sondern wird erzwungen...

Das Werk als Organisation missbraucht Menschen. Mit welchem Recht und welchem Ziel? Warum lässt die Kirche zu, dass das Werk sich in ihren Rängen einnistet? Für junge gläubige Menschen ist die katholische Fassade des Werkes sehr verwirrend. Ist es zuviel verlangt von der Kirche, einen klaren Standpunkt gegenüber dem Werk einzunehmen?


Mädchen, beinahe eingetreten.

Ich hörte das erste Mal vom Werk, als meine Schwester von dieser Gemeinschaft angesprochen wurde. Niemand in unserer Umgebung hatte je von dieser Gruppierung gehört. Später erkannten wir, dass wir durchaus schon von ihnen gehört hatten, aber unter anderem Namen "Opus Christi Regis" oder "Paulusheim" - warum all diese Namensänderungen? Meine Schwester trat ein und so lernte auch ich das Werk kennen. Was anfangs wie eine gute Sache aussah, schien mit der Zeit eher ein abgekartetes Spiel zu sein. Sie wandten geschickt ausgeklügelte Methoden an, die sehr stark an die Methoden von Sekten erinnern... ich möchte hier kurz erzählen, was mir im Kontakt mit diesen Menschen geschehen ist.

Wenn man einmal mit ihnen in Kontakt gekommen ist und sie den Eindruck haben, dass man ihnen "nützlich" sein kann, wird langsam ein "Netz" um dich gesponnen. Du wirst einem Priester des Werkes vorgestellt. Dir werden Gespräche angeboten (um die du nie gebeten hast). Du wirst zum Essen mit der Gemeinschaft eingeladen, das dann aber "spontan" durch ein Vier-Augen-Gespräch mit einem Priester des Werkes ersetzt wird. Man erkundigt sich nach deinem Privatleben. Deine Familie wird gründlich unter die Lupe genommen. Auch deine Pfarrei wird Thema. Und dann kommt die für sie so wichtige Frage: "Was hast du nach der Schule/dem Studium vor mit deinem Leben?" Sie haben eine gute Methode das herauszufinden. Sie stellen dich vor die Wahl Familie oder Ordensleben und lassen dich sieben Tage für das eine, sieben Tage für das andere beten. Sie erwarten, dass du währenddessen niederschreibst, was dabei in dir vorgeht. Aufgrund deiner Aufzeichnungen legen sie dann fest, was die richtige Wahl für dich ist.

Ich lernte in dieser Zeit jemanden kennen. Ein großes Problem, meinte der Pater. Er begann also, noch tiefer zu graben. Zuerst musste ich dafür sorgen, dass ich mit niemandem anderen mehr meine persönlichen Angelegenheiten besprach. Alle Kontakte zu Menschen, die nicht zum Werk gehörten, sollte ich ruhen lassen. Dann folgten viele Gespräche, einmal ging das einen ganzen Tage lang. Als der Pater spürte, dass ich voller Zweifel war, wurde ich nicht mehr zu den gemeinschaftlichen Besinnungstagen eingeladen; ich hätte die anderen jungen Menschen verwirren können. Ich bestand darauf, dass ich einige Einkehr-Tage alleine verbringen wollte, ohne die ständigen Gespräche mit dem Pater. Bevor ich danach aber nach Hause gehen konnte, sollte ich ihm dennoch einen Bericht über diese Tage abliefern.

Die Zweifel, die Angst, die Albträume erreichten damals ihren Höhepunkt. Ich fühlte mich krank, verlor viel Gewicht, bekam Magen- und Darmbeschwerden. Man machte mir klar, dass nun die Zeit reif wäre, eine Entscheidung zu treffen. Ich wurde zur Erholung zu ihnen eingeladen. Außer einer Schwester war niemand im Haus. Die Gespräche begannen von Neuem. Alle meine Bedenken wurden relativiert, mit Bibelzitaten "widerlegt" oder als hochmütig abgetan. Als ich es schlussendlich einfach endgültig leid war, sagte ich: "was sein muss, muss sein" - für sie hatte ich damit mein Ja-Wort gegeben. Sofort wurde ich aufgefordert, im Mutterhaus in Bregenz anzurufen, um dort mein Ja-Wort zu geben. Ich konnte nicht schnell genug in ihren Kreis aufgenommen werden. Meine eigenen Eltern wurden nicht eingeweiht. Einige Tage später schon brachte der Pater mich mit dem Auto nach Bregenz. Ich hatte das Gefühl, in ein Gefängnis gebracht zu werden.

Sobald ich da war, begannen die Vorbereitungen für die Eintrittsfeier. Offenbar sollten auch andere junge Menschen eintreten. Wir waren zu sechst. Ich hatte noch keine Ahnung von der Spiritualität des Werkes, noch von dem Auftrag, der mich erwarten würde. Fragen wurden konsequent abgewimmelt mit der Bemerkung: "Das kommt alles später." Ich begann selbst, mich ein wenig zu informieren. Es schien Konstitutionen zu geben; ihr Inhalt war aber nur für Eingeweihte bestimmt...

Meine Eltern kamen nach Bregenz, um ihren Urlaub hier zu verbringen. Sie durften nicht wissen, dass ich mein Ja-Wort schon gegeben hatte. Alle Mitglieder der Gemeinschaft mussten vorerst darüber Stillschweigen bewahren. Erst als Kardinal M. auf Besuch kam, war das für sie der ideale Moment, alles auch meinen Eltern bekannt zu machen. Es gab also eine große Feier mit dem Kardinal. Die Thalbach-Kirche war zu klein, um alle Menschen zu fassen. Es fühlte sich an, als wäre mein Schicksal nun beschlossen. Innerhalb von nur sechs Monaten, war mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden. Ich fühlte mich krank, aufgewühlt und erschöpft von dem ganzen Trubel. Ich hatte die Nase voll von der vielen Geheimnistuerei, der künstlichen Fröhlichkeit und der Vertrauensseligkeit der Verantwortlichen, die begonnen hatten, mein ganzes Leben zu bestimmen. Sie taten das alles in der Überzeugung, die wahren Werkzeuge Gottes zu sein. Ein Gott der Angst, der Schuld, der Versuchung und der Buße war alles, was von dem Glauben übrig geblieben war, den ich einmal als befreiend erlebt hatte...


Fortsetzung folgt...