Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Stellungnahme zur Stellungnahme

Als ich 2014 mein Buch "Nicht mehr ich" veröffentlichte, erschien kurz darauf eine Stellungnahme des "Werkes" zu diesem Buch und seiner Veröffentlichung. Diese wurde mehrmals geändert, unter anderem dahingehend, dass eine Art Reuebekenntnis an den Schluss gestellt wurde.

Dennoch spricht der Text für sich. Er verzichtet auf die wesentlichen Elemente der Textform Stellungnahme, er nimmt nämlich überhaupt keine Stellung zu den sehr konkreten Vorwürfen im Buch. Umso mehr reagiert er emotional und verletzt, es sei bedauerlich, dass ich dieses Buch geschrieben habe und manche Mitglieder fühlten sich "bloßgestellt". Zugleich wird aber nichts von dem, was ich geschrieben habe, widerlegt.

Dazu möchte ich den Verantwortlichen im "Werk" sagen: Ihr wisst, dass ich sehr genau, nüchtern und ohne Polemik beschrieben habe, wie es im "Werk" zugeht und was ich dort erlebt habe. Daran dass ich das getan habe, ist nichts bedauerlich, im Gegenteil: Menschen, die andere Menschen hinter Klostermauern systematisch ihrer inneren Freiheit berauben, sie erniedrigen und in verschiedener Hinsicht missbrauchen, und sich bei alledem noch unter Berufung auf Gott und durch den Schutz der kirchlichen Hierarchie gerechtfertigt fühlen, haben keine Recht darauf, dass man sie in Ruhe weitermachen lässt. Mein Buch ist daher kein "Angriff", sondern ein Akt der Aufklärung, mit dem ich euch in Wirklichkeit einen Dienst erweise, denn wenn ihr wirklich einfach nur Gott dienen wolltet und das Wohl eurer Mitglieder im Sinn hättet, würde mein Buch euch darauf hinweisen, dass euch das nicht so ganz geglückt ist. Ihr könntet also davon profitieren, euch ernsthaft damit auseinanderzusetzen, was ihr besser machen könnt. Zum Beispiel könntet ihr euch an die grundlegendsten kirchenrechtlichen Normen bezüglich der Gewissensfreiheit, des Beichtgeheimnisses und der freien Wahl geistlicher Begleitung halten. Oder ihr könntet euren Mitgliedern wenigstens eine Stunde Freizeit am Tag und freien Kontakt untereinander und zu ihren Angehörigen zugestehen. - Kleiner Vorschlag meinerseits.

Vor allem reiht die Stellungnahme Behauptungen aneinander und indem der Text sagt, meine Anzeige wegen Vergewaltigung wäre von der Staatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen worden, scheut er sich nicht einmal zu lügen.

Damit zeigt der Text deutlich, was er bemüht ist zu widerlegen: Das "Werk" ist an Aufklärung nicht interessiert, vielmehr ist es intransparent und pflegt einen Opfermythos: Es sieht sich selbst als Opfer von "Verfolgungen" und "Angriffen", die übrigens laut Konstitutionen "von innen und außen"* kommen können. Jedes Benennen von Missständen, jede Form von noch so berechtigter Kritik, jedes Einklagen von Rechten, ja jeder Versuch der Veränderung oder Hilfestellung wird als "Angriff" betrachtet und von vornherein niedergebügelt. Das führt dazu, dass die Gemeinschaft sich umso mehr im Recht fühlt - und sich nicht verändern kann. Derselbe Mechanismus ist in der Kirche leider immer wieder im Umgang mit Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs zum Tragen gekommen.

Ohne es zu wollen, leistet das "Werk" mit dieser Stellungnahme einen Offenbarungseid. Daher erlaube ich mir ein paar Tipps für das nächste Mal:


Liebe Verantwortliche im "Werk",

ich habe euch Zeit gelassen, euch zu besinnen und die Stellungnahme doch noch ein viertes oder fünftes Mal umzuformulieren. Ich habe euch viel Zeit gelassen, denn ich weiß, dass ihr nicht die Schnellsten seid. Nun halte ich den Zeitpunkt für gekommen, euch ein paar Tipps für eure nächste Stellungnahme zu geben: Stellt euch vor: Selbst wenn ihr meint, nichts falsch gemacht zu haben, müsst ihr, wenn man euch glauben soll, anders reagieren. Eine Stellungnahme (hier seht ihr, wie sie inhaltlich aufgebaut sein sollte) auf ein Buch wie meines oder auf ähnliche Vorwürfe eines Ex-Mitgliedes müsste - schon aus taktischen Gründen - so aussehen:

1) Nicht wertende Kenntnisnahme

2) Erkennen und Benennen der zentralen konkreten Vorwürfe 
(vielleicht habt ihr wirklich nicht gemerkt, um welche Vorwürfe es eigentlich geht, weil ihr es für so normal haltet, wie ihr mit Mitgliedern umgeht? Ich helfe euch. Lest hier nochmal nach: Das sind einige der wichtigsten Vorwürfe, die ich in meinem Buch erhebe)

3) Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen
entweder mit einer begründeten und glaubhaften Zurückweisung (Leider könnt ihr sowas nicht schreiben wie: "Doris Wagner hat selbstverständlich schon vor dem Eintritt die gesamten Konstitutionen überreicht bekommen" oder "einen Zwang zur Gewissenseröffnung gegenüber Vorgesetzten gibt es im Werk nicht" oder "Alle unsere Mitglieder sind völlig frei in der Wahl ihrer geistlichen Begleitung, ihrer Freunde, Freizeitgestaltung, Lektüre" oder "Wir legen (wie das Bistum Köln) ab sofort unseren Finanzplan offen" etc. - Schade!)
oder mit einem Versprechen, diese Vorwürfe ernstzunehmen, zu prüfen und evtl. Missstände aufzuklären und sie zu beseitigen. Hier bieten sich Floskeln wie "Null-Toleranz", "lückenlose Aufklärung" oder "Vertrauen wiederherstellen" an. (Hinweis: dass ihr das dann wirklich tut, sagt ja keiner. Aber ihr hättet wenigstens den Anschein von Anständigkeit erweckt und eure Glaubwürdigkeit gewahrt).

4) Ein irgendwie versöhnlicher Schluss
Damit verleiht ihr der Hoffnung Ausdruck, dass es durch die Widerlegung der Vorwürfe und die Beseitigung der Missstände eine Versöhnung geben kann, eine Art captatio benevolentiae am Schluss. Das habt ihr in der letzten Version der Stellungnahme schon einigermaßen gut hinbekommen. Auch wenn man ihr anmerkt, dass es euch vor allem darum geht, dass solche Vorwürfe in Zukunft nicht mehr erhoben werden, und weniger darum, dass die Missstände beseitigt werden.

Schade. Vielleicht gelingt es euch beim nächsten Mal besser...


Doris Wagner

*"Die zentrale Leitung ist verantwortlich für die Verteidigung der Familie des "Werkes", wenn sie Angriffen von außen oder innen ausgesetzt ist oder sich besondere Gefährdungen aus Notsituationen ergeben."  Konst. X, 43d