Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Schwester im Werk von 1967 bis 1974 - Teil II


Gemeinsam mit vier anderen, die neu in die Gemeinschaft eingetreten waren (unter ihnen war auch Lieve Bommerez), erhielt ich in Villers eine vier Wochen dauernde Formung. Anschließend kamen Lieve und ich nach Rom; wir sollten dort am Institut „Regina Mundi“ ein Aufbaustudium machen. Damals schon gab es einige Kleinigkeiten, die mich hätten stutzig machen können, für die ich aber anscheinend blind war... z. B. musste ich bei der Gründerin, die von allen nur „Mutter“ genannt wurde, schriftlich darum anfragen, nach Rom gehen zu dürfen, obwohl sie das ja selbst beschlossen hatte. Das Werk brachte mich dazu, selber schriftlich um Erlaubnis zu bitten, das tun zu dürfen, was sie mir zuvor aufgetragen hatten zu tun. Falls ich Schwierigkeiten bekäme, würde ich dem Werk niemals nachweisen können, dass sie es waren, die mich nach Rom geschickt hatten. Ein anderes Beispiel: Tagelang lagen mir verschiedene Mitglieder damit in den Ohren, dass sie nach und nach so weit gekommen waren, alles „abzugeben“, wie glücklich sie sich fühlten, „eins“ mit den anderen und wie unwohl sie sich gefühlt hatten, solange sie nicht alles abgegeben hatten usw. Was mich betraf, so hatte ich von daheim nur Kleidung mitgebracht, einige Bücher und ein paar Erinnerungsgegenstände. Eines Tages beschloss ich, auch das Letzte davon abzugeben, und selbst da verlangte meine Lokalverantwortliche von mir, es ihr schriftlich zu geben, dass ich das selbst wünschte. Ich begriff damals noch nicht, welches Spiel da gespielt wurde, das kam erst später.


Wir studierten an Regina Mundi, wo man einen Magister in Religionswissenschaft machen konnte. An diesem Institut konnten auch Frauen studieren, was damals an der Gregoriana noch nicht möglich war. 
Der Unterricht erfolgte in vier Sprachen. Das Leben war wunderbar, alles war, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich durfte studieren, und das bereitete mir große Freude. Zwei andere Studentinnen und ich wurden von einer ganzen Reihe Aufgaben befreit. Dabei sahen wir aber, dass andere Mitschwestern Tag und Nacht hart arbeiteten. Aber man brachte uns bei, dass jedes Mitglied seinen eigenen Auftrag hat und man darüber nicht diskutieren soll; es war eine Angelegenheit zwischen der Leitung und dem einzelnen Mitglied. Von nun an wurden wir mit der Grundregel des Werkes vertraut gemacht: nicht räsonieren, nicht diskutieren, nicht kritisieren. 


Es gab noch andere fundamentale Ideen, die uns ständig eingebläut wurden. Oft beruhten Gespräch nur auf Schlagworten wie: „Die Welt ist schlecht. Der Kommunismus ist der größte Feind, der Teufel selbst. Die Kirche wird ihrer Sendung nicht gerecht. Es gibt viele Verräter in der Kirche. Das Werk hat viele Feinde. Wer nicht für das Werk ist, ist vom Teufel. ‚Mutter’ hat eine göttliche Sendung, gefasst in die Worte vom ‚Geheimnis des Königs’“ – eigentlich wusste aber niemand genau, was mit dem letzten Ausdruck gemeint war.


Nach einer gewissen Zeit wurde ich aufgefordert regelmäßig schriftlich mitzuteilen, wie ich dachte, wie ich „in meiner Berufung wachse“, ob ich Schwierigkeiten hatte, ob ich etwas über eine Mitschwester mitzuteilen hatte... Dieser Auftrag bereitete mir echte Schwierigkeiten. Ich kam nicht dazu, jede Woche so einen Bericht über mich selbst aufs Papier zu bringen – und vielleicht hat mich das auch ein Stück weit gerettet. Später habe ich nämlich erfahren, dass andere, die ihre „Schwierigkeiten“ mitgeteilt haben, sich verletzlich machten; die Leitung konnte sie leicht isolieren und auf sie einreden bis die „Schwierigkeiten“ gelöst waren. Wer Kritik äußerte, Zweifel oder Bedenken hatte, dem wurde schnell klar gemacht, dass das Versuchungen des Teufels waren. Dieser alte Drache würde alles in Bewegung setzen, um das Werk zu Fall zu bringen und deswegen müsste „Mutter“ dann immer wochenlang schwere Krankheit und Leiden ertragen, um diese Versuchungen der Mitglieder niederzuringen. Das haben sie uns damals weisgemacht.


Es brauchte ca. drei bis vier Monate, um alle Kontakte mit Angehörigen, Freunden und Bekannten abzubrechen. Das Werk wurde uns als eine Familie vorgestellt: „Wir haben doch keine Geheimnisse voreinander...“ Warum soll ich als junges Mitglied, dann nicht zulassen, dass man meine Briefe öffnet? Meine Verantwortliche hatte ja von Gott die Berufung, zu entscheiden, was gut für mich wäre... und so brach ich allmählich den Kontakt zu diesem oder jenem ab, weil sie ja „nicht zum Geist des Werkes passen“... Alle meine Briefe wurden geöffnet. Die Lokalverantwortliche nahm sie unter die Lupe und bestimmte, wem ich antworten durfte und wem nicht. Wenn ich zurückschreiben durfte, las sie alles durch und „besprach“ es mit mir, selbst wenn es sich auf ein paar Allgemeinplätze beschränkte. Ohne, dass es mir selbst bewusst war, war mein Schreibstil innerhalb kürzester Zeit mit dem Wortschatz des Werkes durchsetzt. Später erfuhr ich, dass meine Freunde diese fromme und unpersönliche Schreiberei nicht begreifen konnten. Durch dieses unpersönliche Getue, lösten sich viele Kontakte bald von selbst auf. Mit anderen Freunden musste ich wiederum unbedingt in Kontakt bleiben. Damals verstand ich noch nicht, warum – jetzt weiß ich es. Es waren nämlich Menschen, die potenziell vom Werk beeinflussbar waren; und die durfte ich sogar für ein Wochenende nach Villers einladen.


Es ging sogar so weit, dass Briefe zurückgehalten wurden. Das habe ich bei einer Begebenheit aus dem Jahr 1974 auf besonders krasse Weise erfahren: regelmäßig musste ich verschiedene Dokumente und Schriften des Werkes von einem Haus in ein anderes bringen, um sie dort sicher aufzubewahren. Einmal glitt mir ein ganzer Stapel Papiere aus den Händen. Alles war über den Boden verstreut. Als ich sie wieder sorgfältig zusammenlas, fiel mein Blick auf einen Umschlag mit der Handschrift meiner Mutter. Sollte ich es wagen, den Brief zu öffnen? Nein, das durfte ich nicht. Ich suchte nach dem Stempel: der Brief war zwei Jahre alt, er war an mich adressiert. Ihn zu lesen, wäre Ungehorsam, ich würde mich selbst strafen. Also legte ich den Brief wieder fein säuberlich zwischen die anderen Papiere, ohne ihn gelesen zu haben. Aber es ließ mich nicht los. Was konnte meine Mutter mir geschrieben haben? Ich durfte einfach nicht daran denken. Der Brief war eine Prüfung, er sollte zeigen, ob ich dem Werk treu war. Aber einige Tage später hielt ich es doch nicht mehr aus. Ich ging hin und öffnete ihn. Meine Mutter hatte ihn 1972 geschrieben. Sie schrieb, dass mein Vater schwer erkrankt war und flehte mich an, mich zu melden. Ich hatte diesen Brief nie erhalten! Und das war nur ein Vorfall.


Fortsetzung hier

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