Was will dieser Blog?

Dies ist der Blog ehemaliger Mitglieder des "Werkes". Er enthält Geschichten, Tatsachen und Erfahrungen, die vom "Werk" sorgfältig verschwiegen oder geleugnet werden. Er sei jedem ans Herz gelegt, der mit dem "Werk" in Kontakt kommt.

Schwester im Werk von 1967 bis 1974 - Teil I



Meine Erfahrungen mit dem Werk betreffen den Zeitraum von 1961 bis 1974, Mitglied im Werk war ich von 1967 bis 1974.

1961 war ich noch Gymnasiastin; es waren Ferien - Ferien nach denen mich eine Französischprüfung erwartete. Eine Mitschülerin gab mir eine Adresse in Wallonien, wo ich bei der Betreuung französischsprachiger Kinder helfen könnte. Da ich von Haus aus sozial engagiert und christlich war, sprach mich dieses Angebot an und so entschloss ich mich mit zwei Klassenkameradinnen dorthin zu gehen, an einen uns unbekannten Ort: rue Probideau, Villers-Notre-Dame bei Ath. Als wir dort ankamen, wurden wir noch am selben Abend ohne Erklärung nach Brüssel weitergeschickt. Das überraschte uns, aber wir dachten nicht länger darüber nach. In Brüssel wurden wir in einer französischsprachigen Organisation in der Freizeitbetreuung von Kindern eingesetzt, begleitet von zwei „Fräuleins“ vom „Foyer“. Damals wusste ich noch nicht, dass das „Foyer Saint-Paul“ einer der Namen war, unter denen das Werk arbeitete. Im Haus des Foyers, das damals in Woluwe lag, ging es für uns Sechzehnjährige etwas allzu fromm zu. Aber es herrschte eine Atmosphäre von Geborgenheit und Ruhe. Wir stellten uns keine Fragen, weder ich noch die beiden anderen. Tagsüber halfen wir in der Kinderbetreuung, abends ruhten wir uns aus, lasen oder unterhielten uns über ‚wer weiß was alles’. Mit den anderen Hausbewohnern hatten wir kaum Kontakt. Über Villers sprachen wir nicht mehr.

Das Jahr darauf bewegten mich meine Eltern, wieder hinzugehen. Diesmal ging ich allein. Nun wurde ich in der „Familienpflege“ eingesetzt. Eines der Fräulein besorgte mir eine gefälschte Bescheinigung, auf der mein Alter verändert wurde. Ich musste ja achtzehn sein, um in Familien als „Familienhelferin“ arbeiten zu können. Bezahlt für diese Arbeit wurde das „Foyer“. Aber ich stellte keine Fragen, sondern war in meinem Idealismus selbst von dieser Arbeit überzeugt. Ich sammelte dabei viel Lebenserfahrung. Von da an wurde ich von einem der Fräulein, Suzanne Maesschalck, betreut. Sie lud mich ein, hin und wieder zu einem ihrer Gottesdienste zu kommen. Außerdem durfte ich sie begleiten als sie andere Häuser der Gemeinschaft besuchte; und sie lud mich immer wieder einmal ein, einige Tage in einem der Häuser zu verbringen.

Ich fühlte mich angezogen von der Atmosphäre, die dort herrschte, je länger je mehr. Jetzt, so viele Jahre danach, möchte ich sagen „das Gift begann zu wirken“. Meine tiefgläubige Erziehung, mein soziales Engagement, Frömmigkeit und Idealismus machten mich empfänglich für diese Menschen. Nach dem Gymnasium wollte ich eine Lehrerausbildung beginnen. Sie schlugen vor, dass ich danach noch zwei Jahre daheim für meine Familie arbeiten sollte, dann sollte ich bei ihnen eintreten. Inzwischen hatten sie mich auch gebeten, nicht zu viel über sie zu erzählen, mit der Begründung, „die Menschen“ verstünden das nicht so gut oder sie sagten gar: „Wir sind die Auserwählten, die Welt ist schlecht und versteht das nicht“. Ich nahm das alles einfach so hin und ließ es mir gefallen. Ich fand die Welt wirklich schlecht und glaubte mit der Zeit immer mehr, dass „Paulusheim“ (oder „Opus Christi Regis“, wie das Werk sich damals meistens nannte), der einzige richtige Weg war. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte angefangen und ich war irgendwie selbst davon überzeugt, dass die Kirche den falschen, den oberflächlichen und modernistischen Weg ging. Das Werk war der einzige wahre Weg.

Ich teilte meinen Eltern mit, dass ich ins Werk eintreten wollte. Sie hatten es bis dahin noch nicht näher kennengelernt. Zwar waren sie nicht gegen meinen Entschluss, einer religiösen Berufung zu folgen, aber sie stellten eine ganze Reihe praktischer Fragen, auf die sie keine Antwort bekamen. Sie mussten einfach Vertrauen haben. Als großes Hindernis erwies sich, dass sie mich baten, noch ein Jahr zu warten, weil die Familie mich wirklich noch brauchte. Es entstand ein verbissener Streit zwischen meinen Eltern und der Gemeinschaft. Ich blieb bei meinem Entschluss – völlig von ihnen beeinflusst und von ihnen unterstützt: „Siehst du, deine Berufung ist echt, wie es im Evangelium steht: Wer Vater und Mutter nicht verlässt, ist meiner nicht würdig... Kinder werden sich gegen ihre Eltern erheben...“

Mittlerweile weiß ich, dass damals schon Priester im Umkreis meiner Familie durch ein einziges Wort ihrerseits viel Leid hätten verhindern können. Aber sie schwiegen. Je mehr meine Eltern sich meiner Entscheidung widersetzten, desto stärker hielt ich daran fest. Ich war sogar bereit, alle Sicherheiten aufzugeben, weil ich auf die göttliche Vorsehung vertraute, die ganz besonders über dem Werk wachte. Langsam aber sicher war ich völlig in den Einfluss des Werkes geraten. Ich ließ mich von ihnen führen, und nicht allein in den kleinen Dingen, auch deswegen weil sie mein Ego sehr ansprachen. Sie betonten immer wieder, dass ich genau die Talente hatte, die es brauchte, damit das Werk seine Sendung erfüllen könnte. Ich gehörte zu den Berufenen, den wenigen Auserwählten. Diese enthusiastische Aufnahme bestärkte mich ungemein. Auch die Perspektiven, die sie mir vor Augen stellten, waren vielversprechend. Ich dürfte in Rom studieren, weil ich berufen wäre „Leitungsverantwortung“ wahr zu nehmen – etwas, das nicht jeder kann. Ich fiel auf sie herein: auf ihre Begabung, andere zu manipulieren. Später erkannte ich, wie sie bei jedem potenziellen Kandidaten den schwachen Punkt suchten, der es ihnen ermöglichte, die Schlinge enger zu ziehen.

Ich ging wie auf Wolken. Nicht wenige Menschen in meiner Umgebung warnten mich und versuchten, mich zu einer kritischeren Haltung zu bewegen. Aber ich sah alles nur mit den Augen des Werkes, konnte nichts anderes mehr wahrnehmen. Alles, was von draußen kam, war schon wie gefiltert durch die Anschauung des Werkes. Sie formulierten das ziemlich deutlich:“ Alles und jeder, der gegen das Werk spricht, kommt vom Teufel. Er ist schlecht! Du musst deine Ohren vor ihm verschließen!“ Meine Eltern durchlebten abwechselnd Phasen von Verbitterung, Verzweiflung und Hass. Aber in meinem jugendlichen Trotz glaubte ich, das im Namen des Evangeliums ertragen zu können. Einige Priester aus der Umgebung wurden eingeschaltet, manche hatten keine Ahnung und glaubten, es ginge um eines der vielen neuen Säkularinstitute. Andere wussten mehr, zogen es aber vor zu schweigen, um in der schwierigen Auseinandersetzung zwischen mir und meinen Eltern nicht Stellung beziehen zu müssen.

Im September 1967 ging ich in aller Stille von daheim weg. So hatten es mir die Leute vom Werk geraten...

Fortsetzung hier

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