Viele Texte Verhaeghes dokumentieren ihr dualistisches Welt- und Menschenbild. Sie unterscheidet zwischen dem "rein Menschlichen" und dem "Übernatürlichen". Nur Letzteres führt zu Gott, alles Menschliche dagegen führt von Gott weg, ja mehr noch: es wird zum Einfallstor des Teufels.
Der folgende "Brief von Mutter Julia an eine Mitschwester von 1946 oder 1947", der bis heute als "Betrachtungstext" für die Mitglieder der Gemeinschaft verwendet wird, veranschaulicht diese Maxime mit einer erschreckenden Detailliertheit. Was bleibt von einem Menschen übrig, der diese Anweisungen befolgt? Wer sich selbst derart abgestorben ist wird dadurch Gott nicht näher kommen. Er wird vielmehr zu einem willenlosen Werkzeug in der Hand Verhaghes bzw. ihrer Nachfolger(innen). Die "Liebe", die das Ergebnis einer solchen Abtötung ist, verdient den Namen nicht.
[Unterstreichungen und Fettdruck wie im Original]
Aus einem Brief von Mutter Julia an eine Mitschwester von 1946 oder 1947
Die Sinne sind: das Gehör, das Sehvermögen, der Geschmack, das Gefühl.
* Stirb Deinem Gehör ab im Hinblick auf den Genuss von Lob und Schmeichelei, sowie im Hinblick auf das Hören von Gesang, Musik und nutzlosen oder banalen Gesprächen.
* Stirb Deinem Sehvermögen ab im Hinblick auf die Befriedigung der Neugier sowie im Anschauen oder Betrachten von Menschen und Dingen, ebenso beim Lesen von Schriften und Büchern, Plakaten, Zeitungen, Zeitschriften u.s.w.
* Stirb Deinem Geschmacksempfinden ab in der Lust an Speise und Trank (Ernährung), in der Kleidung aus geschmacklichen und ästhetischen Gründen, in [der Empfindlichkeit für] angenehme und unangenehme Düfte oder Gerüche
* Stirb Deinem Gefühl ab in allen Neigungen zu Frohsinn und Trübsal, in Schmerz und Qual, in Beifall oder Widerstand, in körperlichem, materiellem oder geistigem bzw. geistlichem Besitz oder Empfinden.
Ich glaube, hiermit genügend Dinge zur Abtötung der sinnlichen Neigungen angeführt zu haben. Strebe mit Großmut danach, Dich abzutöten oder freizumachen von diesen sinnlichen Neigungen, damit Du, ganz losgelöst von Dir selbst und an Dir selbst, eifrig werden kannst, Gottes Gegenwart zu empfangen und in Dir zu tragen. Vollziehe das Absterben und die Loslösung an Dir selbst, nicht an anderen. Indem Deine Abtötung stärker an Gott und auf Gott hin ausgerichtet ist, wird Deine Selbstanforderung und Selbstzucht zu einer guten, milden und weitherzigen Zuvorkommenheit für den Mitmenschen und Mitbruder aufblühen. Dadurch wirst Du tugendhaft werden im Üben der Liebe.
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