Das liebevolle Mitwirken mit dem Willen Gottes
Dieser Text drückt auf verhaltenere Weise aus, was andere Texte im Herrlichkeitsbüchlein deutlicher sagen. Er wirkt zunächst harmlos bis nichtssagend, weil Verhaeghe unter bestimmten Begriffen etwas anderes versteht als allgemein darunter verstanden wird. Wenn sie etwa von den grundlegenden Prinzipien spricht, die sich aus der Taufe ergeben, meint sie damit Prinzipien, die sie aus der Taufe ableitet, was im Letzten ein ent-weltlichtes ganz über-natürliches Leben meint, aus dem heraus dann die "Konfrontation mit dem allgemeinen Klima der Zeit" angegangen werden müsste. Das schließt insbesondere ein, worauf sie am Ende zu sprechen kommt: das Gebot, den Willen Gottes nicht "menschlich zu interpretieren", sondern gewissermaßen "einfach in die Tat umzusetzen".Da Menschen aber keinen unmittelbaren Zugang zum "Willen Gottes" haben, sondern immer darauf angewiesen bleiben, nach ihm zu fragen und nicht nur den "Willen Gottes", sondern auch alles andere, nicht anders wahrnehmen können, als indem sie es zugleich interpretieren, - wird hier im Endeffekt verlangt Verhaeghes Interpretation des Willens Gottes umzusetzen, bzw. die ihrer Nachfolger, ohne "allzu menschlich" darüber nachzudenken und sich erst theoretisch damit auseinanderzusetzen.
Es genügt nicht, theoretisch davon überzeugt zu sein, dass alles darauf ankommt, Gottes heiligen Willen zu tun. Man muss vielmehr dazu gelangen, Ihn im konkreten Lebensvollzug zu lieben, um zu jener tiefen Erkenntnis Gottes und seiner selbst zu gelangen, die Frucht dieses konkreten Dienens nach dem heiligen Willen Gottes ist. Dieses vom Glauben getragene Dienen lässt uns jeden Augenblick Gottes Gegenwart entdecken, der wir in den verschiedenen Umständen und Situationen, in denen wir leben, begegnen dürfen. In dieser Gegenwart Gottes lebend dürfen wir auch erfahren, dass Gott Liebe, dass er die göttliche Vorsehung und die allmächtige Majestät, die unaussprechliche Güte und Barmherzigkeit ist. Ja, wir dürfen erfahren, dass er das Licht ist, das uns fähig macht, mit dem Willen Gottes mitzuwirken, das Licht, das uns unterscheiden lässt, worin die wahre Nächstenliebe besteht, und uns zugleich die Kraft schenkt, danach zu handeln, das Licht, das uns zur Dankbarkeit, zum Lob und zur Anbetung des gegenwärtigen und dreimal heiligen Gottes führt.
Das Grundprinzip, nach dem die Mitglieder des „Werkes“ ihre Formung erhalten müssen, besteht darin, ihnen die fundamentalen Prinzipien, die sich aus dem Sakrament der Taufe und aus ihrer Zugehörigkeit zum Mystischen Leib Christi ergeben, wieder bewusst zu machen und ihnen zu helfen, sie zu sehen, sie anzuerkennen und danach zu leben. Von dieser Zugehörigkeit aus müssen sie die Entwicklung ihres Lebens als Christen unserer Tage sehen, sollen sie die Konfrontation mit dem allgemeinen Klima angehen, in dem sie leben, und mit den konkreten Entwicklungen, die sich in den verschiedenen Situationen und Ereignissen auf allen Gebieten zeigen. Zugleich haben sie ihr Engagiert-Sein im „Werk“ zu leben als ein Heiliges Bündnis. Groß sind die Konsequenzen dieser Bindung, die sie eingegangen sind, und die Verpflichtungen, die sie freiwillig auf sich genommen haben, um auf diesem Wege Gottes Willen anzunehmen und darauf, getragen von der Gnade ihres Standes, Antwort zu geben.
Ich habe im Lichte Gottes gesehen und verstanden, dass an diesem Grundsatz, den Mitgliedern eine Formung zukommen zu lassen, die sich orientiert an den fundamentalen Prinzipien des Lebens der Kirche als Mystischer Leib, am Worte Gottes und am Leben Jesu Christi, bedingungslos festgehalten werden muss.
Jene, die in das „Werk“ gerufen sind, haben den besonderen Auftrag, die Einheit von diesem Grundprinzip des Mystischen Leibes her zu leben und ihr so zu dienen. Im Lichte, das der hl. Erzengel Raphael uns schenkt, werden diese fundamentalen Prinzipien bestätigt und mit einer Forderung voll Barmherzigkeit und gleichzeitig mit großer Dringlichkeit, wenn ich so sagen darf, bestärkt. Darum erfüllt mich an diesem Tag tiefe Freude und große Dankbarkeit für alle die Gnaden und wunderbaren Wohltaten, die Gott in seiner väterlichen Güte und Barmherzigkeit seinem Werkzeug zum Aufbau des „Werkes“ und der heiligen Kirche, unserer vielgeliebten Mutter, schenkt.
Ich fühle mich innerlich aufgefordert, diese innere Schau, wie wir durch den Einsatz unseres ganzen Lebens auf den Willen Gottes antworten sollen, mitzuteilen, damit wir diese Mentalität, den Willen Gottes in Theorie, aber nicht in der Praxis anzunehmen, verlassen und sie, und bekehrend, übersteigen. Ich meine damit, eine gewisse Art des zu menschlichen Sehens und Interpretierens des Willens Gottes, indem wir ihn verallgemeinern oder ihn absolut setzen und ihn so reduzieren auf das Niveau eines nur theoretisch angenommenen Prinzips, das aber im Glauben, im Lichte Gottes, in der realen Konfrontation mit der Wahrheit kaum gelebt wird. Wenn der Wille Gottes nur auf diese Weise an uns herankommen darf, ist er kaum oder gar nicht eingetreten in unser wirkliches Leben, nämlich in die Praxis der Gebote Gottes, in die Praxis der Tugenden des Glaubens, der Liebe und jener Dienstbereitschaft, die Frucht der wahren Nächstenliebe ist; darum nämlich wird dieser heilige Wille Gottes kaum oder gar nicht wirksam im täglichen Leben, weil er keinen Einlass gefunden hat in unser menschliches Herz, das die Bewegungen der Liebe vom Heiligen Geist empfangen muss, weil der Wille Gottes kaum hinabgestiegen ist in die Tiefen unserer Seele, die hinhören muss auf die Eingebungen des Heiligen Geistes, in dem allein wir Gott zu lieben und Seinen Willen zu erfüllen vermögen.
In diesem Licht schaue und verstehe ich den Weg der Bekehrung, den die Berufenen des „Werkes“ im Lichte des Erzengels Raphael zu gehen haben. Diese Bekehrung muss sie dazu führen, dass sie sich bis in ihr tiefstes Wesen von der oben beschriebenen Mentalität läutern lassen und sich von ihr lossagen, um desto tiefer fähig zu sein, den heiligen Willen Gottes mit einem großmütigen und ganz hingegebenen Herzen zu leben, das sich der reinen Liebe des Allerheiligsten Herzens Jesu und unserer Mutter Maria öffnet, die unser Vorbild ist und uns auf diesem Weg voranführt.
Julia Verhaeghe
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