Aufgenommen in Gottes Barmherzigkeit
In diesem Text nimmt Verhaeghe den Weiheakt der Theresia von Lisieux auf und interpretiert ihn im Geist des Werkes um, sodass er im Grunde nichts anderes mehr ist als die Zerknirschung angesichts der eigenen Unfähigkeit dem Ideal des Werkes zu entsprechen.
Er beinhaltet damit zugleich die Bereitschaftserklärung, sich nach diesem Ideal formen zu lassen und "vorbehaltlos zu dienen", d.h. eigene Bedürfnisse und Empfindungen völlig aufzugeben und sich für das Werk verzwecken zu lassen, das seine Berufung darin sieht, die "Verwirrung, Entartung und den Verfall" des Volkes Gottes aufzuhalten.
Interessant ist dabei der Verweis auf die Nächstenliebe. Nächstenliebe im Sinne des Werkes ist völlig frei von Emotionen und persönlichen Interessen, sie besteht im Endeffekt darin, den anderen zur Läuterung im Geiste des Werkes zu führen, also seine Seele zur "Einswerdung mit Gott" zu befähigen. Darum muss die Nächstenliebe geläutert werden: sie kann den anderen ja nur dann einer solchen Läuterung unterziehen, wenn sie für ihn nichts mehr empfindet... ein Moment, das die Grausamkeit deutlich macht, die in den menschlichen Beziehungen im Werk herrscht, wo Freundschaften verboten sind und jeder Kontakt eines Mitgliedes nach außen überwacht und verzweckt wird.
Auf dem Weg der Läuterung greift Gottes barmherzige Liebe immer stärker ein in den Prozess der inneren Reifung und Wandlung, die die Gnade des Heiligen Kontraktes in uns bewirkt, und durchdringt stets tiefer das Leben unserer Seele, die sich mit Ihm stets inniger vereinigen darf. In dieser Läuterung und Einigung wird Er immer stärker als Barmherzige Liebe unsere menschlichen Beziehungen und unser apostolisches Leben umgestalten und prägen. Darin offenbart sich ein besonderer Aspekt der Nächstenliebe, wie sie in unserer Berufung inmitten der Verwirrung, der Entartung und des Verfalls im Gottesvolk gelebt werden soll. Diese, von der barmherzigen Liebe geprägte und geläuterte Nächstenliebe wird heranreifen und erfließen aus dem betrachtenden Gebet, aus der Beschauung, welche uns dem gottmenschlichen Herzen Jesu, dem Quell der Barmherzigkeit und Güte immer näher bringt. Aus diesem Wirken der Gnade und unserer Antwort darauf, aus dieser Wechselwirkung, wenn ich es so nennen darf, entsteht wiederum ein neuer und vertiefter Aufruf der Barmherzigen Liebe, die ihren Ursprung im gottmenschlichen Herzen findet, welches den Menschen so sehr geliebt hat und diese Liebe fortdauern lässt im hl. Priestertum und in der hl. Eucharistie. Er hat nicht aufgehört, uns in diesen beiden Sakramenten diese seine Liebe in besonderer Weise anzubieten, doch leider wird sie nicht mit Würde angenommen und geschätzt, sondern zurückgewiesen und entehrt.
Wenn jemand, der in sein „Werk“ gerufen und bereit ist, den hl. Kontrakt mit ganzer Hingabe zu leben, von einem solch intensiven Aufruf ergriffen und im Innersten bewogen wird, sein Herz dieser barmherzigen Liebe zu öffnen, darf er sich als Brandopfer dem Herrn anbieten, dies auch dann, und vor allem dann, wenn er durch allerhand eigenes Elend erfährt, wie sehr er selbst noch dieser Barmherzigen Liebe bedarf und er es so gleichsam als eine Notwendigkeit empfindet, dass sie erlösend und heiligend in ihn einwirke. Selbst dieses reinigenden und labenden Stromes bedürftig, öffne er sein Herz dann voll Vertrauen und Hingabe wie einen Kelch, der diese Wasser auffängt in dankbarer und sühnender Gegenliebe. Seine Antwort auf diese Gabe der Barmherzigen Liebe wird dann die innerliche, anbetende Huldigung sein, durch die er Gott die Ehre erweist und in Demut sein Kleinsein anerkennt, das in dieses Geheimnis Gottes aufgenommen wird.
Durch das Ergriffen-Sein von dieser Gnade wird die Seele andererseits sich in zunehmendem Maße innerlich aufgefordert fühlen, sich selbst in Liebe zu verschenken, sie wird ein Bedürfnis nach Buße und Sühne erfahren, die die schenkende Liebe zu einer dienenden werden lässt, zu einer Liebe, die ganz verfügbar ist und die immer freier macht, die verkannte Liebe des Herrn an sich zu ziehen, sie zu empfangen, sie hinauszutragen, sie zu offenbaren und an jene Seelen in der Nähe und in der Ferne weiterzuschenken, die in der ganzen Welt (in unserer verfinsterten Welt) nach dieser erlösenden und rettenden Liebe des gottmenschlichen Herzens hungern und dürsten.
Durch die Gnade unserer Berufung, durch den Heiligen Kontrakt, haben wir unser Herz, unser Leben, all unser Haben und Sein diesem Herzen geschenkt. Dieses göttliche Herz will in unserem Herzen die unendlichen Quellen Seiner von den Menschen zurückgewiesenen Barmherzigen Liebe öffnen und sie über das Heute, die Welt von heute, strömen lassen, in die er uns hineingerufen hat. Er will die Quellen dieser lebendigen Wasser für viele zugänglich machen und sie in viele hineinströmen lassen. Zugleich verlangt und erwartet er aber auch, das Herz, das sich in diesem Akt der Hingabe freiwillig und bewusst seiner Barmherzigen Liebe als Opfergabe anbietet und sich ihm öffnet, immer mehr in Anspruch nehmen zu dürfen, um es zu heilen und es zu einer stets tieferen und innigeren Vereinigung mit seinem Herzen fähig zu machen, um es zu läutern und zu verzehren in der Feuersglut seines von Liebe brennenden Herzens, das voll Güte und Barmherzigkeit für jenen ist, der sich Ihm in gläubiger und vertrauensvoller Hingabe zu nahen wagt.
Im Bewusstsein unserer Ohnmacht, welche wir in seine göttliche Macht hineintragen, wagen wir es gemeinsam, in dieser Hingabe uns Seiner Barmherzigen Liebe und für sie „als Brandopfer“ zur Verfügung zu stellen, so wie der Herr es von uns verlangt.
Maria, unsere Mutter, und die hl. Theresia vom Kinde Jesu mögen diese unsere Bereitschaft dem Herrn darbringen und uns begleiten und beschützen.
Julia Verhaeghe
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