Vater aller Güte und Barmherzigkeit
In diesem Text, der am Beginn des Herrlichkeitsbüchleins steht, formuliert Verhaeghe den Anspruch an sich selbst. Sie sieht sich als die von Gott erwählte Führerin einer neuen geistlichen Elite, die eine erneuerte Kirche heraufführen soll. Diese Elite hat Gott Verhaeghe anvertraut. Darum weiß sie sich auch berechtigt bzw. verpflichtet von den ihr "Anvertrauten" "die vollständige Hingabe"zu fordern.
Je dramatischer die Lage, desto mehr erfordert sie. Da nach der Meinung Verhaeghes die Kirche schon so stark vom "Zeitgeist" durchdrungen ist, dass sie im Todeskampf liegt, musste sie auch von den Mitgliedern ihrer Gemeinschaft restlose Hingabe verlangen, um diesen Todeskampf aufzuhalten. Das hieß in der Praxis, dass sie als die "erwählte Führerin" uneingeschränkte Macht über die Mitglieder des Werkes hatte. Nach dem Tod Verhaeghes besteht dieses Sendungsbewusstsein in der Gemeinschaft weiter; es führt nach wie vor dazu, dass von den Mitgliedern um der Rettung der Kirche willen, alles verlangt werden kann, und dass im Werk angesichts der Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft eine beständige Panik aufrecht erhalten wird, die zu einem blinden und übersteigerten Selbstbewusstsein führt, das teils rätselhafte teils gefährliche Blüten treibt, in jedem Fall aber eine Realitätsverweigerung darstellt, die langfristig ernste Konsequenzen für die Psyche der Mitglieder hat.
Vater aller Güte und Barmherzigkeit, inständig bitte ich dich für jene, die du mir anvertraut hast. Lass nicht zu, dass auch nur einer aus ihnen verlorengehe oder sich von deinem Herzen entferne, von jenem Herzen, das schmerzhaft durchbohrt wurde aus Liebe zu jenen, die du erwählt hast, damit sie ganz und ohne jeden Vorbehalt dein eigen seien.
Ich bitte dich vertrauensvoll, Vater der Güte und der unendlichen Barmherzigkeit, nimm mit Wohlgefallen in deinen göttlichen Plan auf die Armut und die Unfähigkeit, die ich angesichts dieser Verantwortung empfinde, damit alles Gnade werde für deine Geliebten, alles fruchtbar sei, sodass sie dich anbeten und deinen Namen verherrlichen auf Erden.
O Maria, meine Mutter, Du Mutter der reinen Liebe und der göttlichen Gnade, sei meine Fürsprecherin und stehe mir bei in diesem erhabenen Auftrag.
Julia Verhaeghe
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